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CD-KRITIK / WOLFGANG BRUNNER
09/12/11 Mit drei hörenswerten Aufnahmen – Lodovico Giustini, Farinelli und Ignaz Pleyel gewidmet – bereichert der in Salzburg tätige Spezialist für Interpretation alter Musik die Diskografie.
Von Horst Reischenböck
Die Sonaten von Lodovico Giustini wurden 1732, also im Geburtsjahr von Joseph Haydn, in Florenz gedruckt. Sie gelten als die ersten erhalten gebliebenen Kompositionen für das „Cimbalo di piano e forte“ – also das von Bartolomeo Christofori im Auftrag der dortigen Medici entwickelte Hammerklavier.
Wolfgang Brunner spielt auf dem Nachbau eines von drei erhalten geblieben originalen Instrumente in der Musikinstrumentensammlung des Grassi Museums in Leipzig und zaubert aus dem prachtvoll klingenden Instrument mit subtilen Rubati echte Preziosen. Jeder Satz ein mehr oder weniger verkappter Tanzsatz, eine kleine Kostbarkeit in sich selbst. Die Sonaten-Auswahl will nicht als Ganzes „durchgehört“ sein – man sollte sich diesen Sonaten jeder für sich vertiefend hingeben. Die Bekanntschaft lohnt sich!
Zusammen mit seiner Salzburger Hofmusik und Sopranist Jörg Waschinski gestaltete Wolfgang Brunner auch eine Kompilation der Kompositionen, die sich der berühmte Kastrat Carlo Broschi mit Künstlernamen Farinelli selbst „in die Gurgel“ schrieb. Sechs Arien befinden sich in einem Maria Theresia gewidmeten Prachtband, den Farinelli aus Madrid nach Wien übersandte und der jetzt in der Österreichischen Nationalbibliothek liegt. Diese Stücke bieten einen Einblick in das diesem außergewöhnlichen Sänger eigene Kompendium nicht bloß emotional mitreißender Gestaltung, sondern mitunter gerade noch sangbar virtuoser Verzierungen.
Die CD wird bereichert durch besondere „Schmankerln“, etwa einen Text Pietro Metastasios, den sowohl der Dichter selbst vertonte und Farinelli widmete, wie dessen Gegenstück. Jörg Waschinski ergibt sich den Arien mit gefühlvoll vollmundig gestaltendem Ausdruck. Exzellent assistiert durch die passend klein besetzte Instrumentalgruppe, die Brunner vom Cembalo aus leitete.
Mozart war der Meinung, die Musikwelt könnte sich glücklich schätzen, würde der ein Jahr jüngere Ignaz Anton Pleyel einmal imstande sein, Haydn zu „remplacieren“. Die Nachwelt entschied anders. Der Name des Niederösterreichers hallt zumeist nur in den Instrumenten aus der von ihm in Paris gegründeten Klavierfabrik und der dort heute noch existenten „Salle Pleyel“ nach. Wolfgang Brunner (an einer von Robert A. Brown in Oberndorf gestalteten Kopie eines Hammerflügels von Anton Walter) und Leonore von Stauss (die einen Neupert-Nachbau aus Bamberg nach Könnicke von Wien spielt) entreißen Pleyels Kompositionen dem Vergessen. Am Beispiel dieser Stücke begreift man die Größe der Wiener Klassik gleichsam aus dem Umfeld heraus.