Einfach beglückend
CD-KRITIK / L‘ORFEO BAROCKORCHESTER, MICHI GAIGG
14/12/11 Glück mit Christoph Willibald Gluck und Georg Philipp Telemann: Rechtzeitig zum 15-Jahre-Jubiläum des L’Orfeo Barockorchesters unter Leitung von Michi Gaigg bereichern zwei Neuerscheinungen die Diskografie.
Von Horst Reischenböck
Mit Schubert beschäftigt sich das L’Orfeo Barockorchester unterdessen auch schon. Aber Christoph Willibald Gluck als Sinfoniker? Davon war bislang kaum die Rede. Der Opernkomponist und -Reformer kann und darf in dieser Hinsicht nicht an der Wiener Klassik gemessen werden. Diese Werke – kaum mehr als ein Dutzend – sind eher Nischenprodukte, auch auf dem Aufnahmesektor. So widmete sich in den späten siebziger Jahren einmal das Ensemble Instrumental Cyril Dietrich in Frankreich vier Stücken daraus. Auch Michi Gaigg wählte die zweisätzige D-Dur-Sinfonie. Sie lässt den zweiten Satz ohne Hörner spielen und benötigt genau halb so lange (!) wie der Kollege auf der alten Aufnahme.
Ihrem Temperament entsprechend wuselt sie engagiert durch die dem Typ der italienischen Opernouvertüre verpflichteten, meist dreisätzigen Werke. Eines der Stücke hat sich in Regensburg erhalten, ein anderes in Weimar. Dazwischen eingeschoben eine „Concertante“, deren Noten in Prag und Münster (Westfalen) überdauerte. Sie verlangen ein Oboenpaar und Fagott, zwei Naturhörnern wird das dazumal auf den ventillosen Instrumenten Machbare bis an die Grenzen abverlangt. Schließlich ist noch eine viersätzige Sinfonie aufgenommen, die an dritter Stelle aber noch nicht das übliche Menuett, sondern eine merkwürdige Fuge bereit hält. Wie Michi Gaigg als Konzermeisterin ihre blendend aufgelegt musizierenden 22 Instrumentalisten anführt, sind es die Stücke allemal wert, gehört zu werden.
Telemanns dreiaktige Oper „Orpheus“ hat Michi Gaigg bei den Donaufestwochen in Grein aufgeführt (Peter Huth führte damals Regie). Auf der CD hört man nicht einen Live-Mitschnitt, sondern eine Aufnahme vom Vorjahr aus dem Stift Waldhausen im Strudengau. Erneut faszinieren Telemanns verschieden „vermischte“ musikalische Stile, seine souveräne Handhabung unterschiedlicher Formen im Sinne auszudrückender Leidenschaften. Wie in der Entstehungszeit im Hamburger Theater am Gänsemarkt wurde sowohl deutsch wie italienisch und französisch gesungen.
Im Booklet wird nicht zufällig der Musikwissenschafter Bernd Baselt (von ihm stammt das Händel-Werkverzeichnis) zitiert, der über Telemann schrieb: „Es gibt wohl kaum einen zweiten deutschen Opernkomponisten des 18. Jahrhunderts – ausgenommen vielleicht W. A. Mozart -, der von der Ausdrucksmöglichkeit der instrumentalen Klangfarben so erfindungsreich Gebrauch machte.“ Das bekommt man hier auch zu hören. Sehr engagiert auch Dorothee Mields als Orasia, Markus Volperts Orpheus und seiner Eudydice Ulrike Hofbauer. So macht Barockoper größtes Vergnügen.
L’Orfeo Barockorchester / Michi Gaigg
Christoph Willibald Gluck, Five Sinfonies. cpo CD 777 411-2
Georg Philipp Telemann, „Orpheus“. Deutsche harmonia mundi / SONY MUSIC 2 CDs 88697805972
www.lorfeo.com
Am Mittwoch, 21. Dezember, sind Michi Gaigg und das L'Orfeo Barockorchester in Salzburg bei der Bachgesellschaft zu Gast und spielen die Kantaten Nr. 1, 4, 5 und 6 aus Bachs Weihnachtsoratorium. Es singt das Collegium Vocale Salzburg.