Ein Pfifferling vom Hinterteil
CD-KRITIK / JOHANN BAPTIST WENDLING
07/12/10 Saublöd gelaufen, echt. Da ist man einer der besten Querflötisten seiner Zeit, vielleicht nur von Quantz übertroffen. Da hat man Friedrich dem Großen vorgespielt und von ihm, wahrlich keinem Querflöten-Banausen, eine güldene Tabaksdose geschenkt bekommen.
Von Reinhard Kriechbaum
Da hat man weiters im pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor einen adligen Schüler, der dem alten Fritz nicht so viel nachsteht an Prominenz. Und dann taucht Mozart auf, schreibt einem wunderschöne Flötenkonzerte. Und dieser Mozart verfasst, aus Jux und Tollerei, einen Brief an seine Mutter, in Reimform: "Der Arsch vom Weber ist mehr werth als der Kopf vom Ramm / Und ach von diesem Arsch ein Pfifferling / Ist mir lieber als der Mons: Wendling."
Genug, dass fast jeder Musikfreund, der Werkeinführungen zu Mozarts Flötenkonzerten gelesen hat, fast zwangsläufig den Namen Johann Baptist Wendling kennt - und den Träger dieses Namen am unteren Ende des verlängerten Rückgrats einordnet. Höchste Zeit, die Ehre des Herrn Wendling (1723-1797) wieder herzustellen! Er war einer der Bläser-Stars der Mannheimer Hofkapelle, als Virtuose international hochgeschätzt und auch als Komponist von Querflötenmusik in der Musikwelt seiner Zeit geachtet - und im übrigen auch von Mozart keineswegs missachtet. Das Briefzitat war Wortspielerei, nicht Fachurteil.
Eine CD voller Flötenmusik von Johann Baptist Wendling also. Es ist schwer, gerecht zu sein, denn da ist offenkundig ganz Unterschiedliches beisammen. Eine ganz altväterlich anmutende Sonate für Flöte und Basso continuo, einige Kammermusik in Quartettbesetzung, ein Konzert in G-Dur für Flöte und Streichorchester. Manchmal ist ziemlich klar, dass der Adressat ein Schüler Wendlings war. Manchmal spiegelt sich, dass der Flötenvirtuose die jeweiligen Stücke wohl sich selbst in die Finger und auf die gespitzten Lippen geschrieben hat. Auffallend ist, dass kaum einmal eine wirklich prägnante Melodie auftaucht und dass sich die Allerwelts-Formulierungen in immer ähnlichen Sequenzen tot laufen. Ein kompositorischer Klein(st)-Meister, würde man sagen, wäre da nicht mittendrin das Concertino in e-Moll, in dem plötzlich die Flöte mit den Partnern (Violine, Viola, Basso) reizvolle Dialoge entwickelte, die auf einen so erfahrenen wie erfindungsreichen Musiker schließen lassen. Ein plötzlicher Geistesblitz?
Mag schon sein: Die "Hoffmusic Mannheim" um den Querflötisten Takashi Ogawa ist kein Ensemble, das Kastanien aus dem Feuer holt. Nicht mal knusprig gebraten werden sie. Vielleicht könnte man noch das eine oder andere Stück ausreizen, mit Mut und mit nachschöpferischer Fantasie ein wenig aufpeppen. Aber ehrlich: So recht überzeugend ist die Begegnung mit der Flötenmusik des Johann Baptist Wendling nicht gelungen. Und warum "Flötenmusik der Mannheimer Schule" am Cover steht, wenn doch nur Wendling drin ist, wird auch nicht ganz plausibel.
Vielleicht ist das Mozart-Zitat (das im CD-Booklet wohlweislich verschwiegen wird) doch das Gepfeffertste aus diesem Musikerleben?