Die letzten starken Worte
CD-KRITIK / BLOCKFLÖTENKONZERTE
14/12/10 Da ist mit einem Schlag der Blockflöten-Horizont nördlich der Alpen ganz beträchtlich ausgeweitet. Michael Schneider hat drei neu entdeckte Konzerte aus dem deutschen Spätbarock eingespielt.
CD-KRITIK / BLOCKFLÖTENKONZERTE
13/12/10 Da ist mit einem Schlag der Blockflöten-Horizont nördlich der Alpen ganz beträchtlich ausgeweitet. Michael Schneider hat drei neu entdeckte Konzerte aus dem deutschen Spätbarock eingespielt.
Von Reinhard Kriechbaum
Christoph Graupner ist eine Adresse, an der so gut wie alle Blockflötisten auf entsprechender Ausbildungsstufe mal vorbeischauen. Sein Konzert in F-Dur gehört zum Kanon. Telemann ist sowieso der einschlägige Schutzheilige. Und dann gibt es noch Johann Christian Schickhardt, auch wenn sein g-Moll.-Konzert eher unter "Concerto grosso" einzuordnen ist. Das Vierte "Brandenburgische" von Bach natürlich nicht zu vergessen.
Aber was für Konzerte gibt es sonst aus dem deutschen Barock? Die vorliegende CD wartet mit einigen Ersteinspielungen auf, die manchem Blockflötisten Lust machen könnte - sofern er sich über ein Stück wie jenes von Johann Friedrich Fasch (1588-1758) drübertraut, das in seinen Ecksätzen nicht zu unterschätzende Ansprüche an die Fingerfertigkeit stellt. In New York haben Johannes Pausch und Steffen Voss dieses lohnende und effektvolle Stück aufgestöbert. Ein weiteres Fundstück kommt aus Brüssel und stammt von Johann Adolf Scheibe und gibt sich für den Solisten moderater - dafür ist es ein Musterbeispiel für den empfindsamen Stil. Wie da die Blockflöte im langsamen Satz den Gesang aufgreift, den die beiden Geigen so schön vorbereitet haben! Man versteht gut, dass Scheibe mit dem alten Bach wenig hat anfangen können und als Musikschriftsteller mit der Feder auf den eine Generation Älteren eingestochen hat. Hier also: Scheibe mal nicht als Theoretiker und (praktischer) Nörgler an Bach, sondern als Komponist. Melodisch geschmeidig, ohren-gefällig - zeitlich gesehen sind das die ziemlich letzten starken Worte der Blockflöte.
Die dritte Ersteinspielung auf dieser CD, die mit Ausnahme Telemanns und Bachs eigentlich das gesamte Konzertrepertoire für Blockflöte des deutschen Barock enthält: ein Konzert von einem gewissen Mattheus Nikolaus Stulick (1700-1740). Der aus Böhmens stammende Trompeter war in Mannheim, Düsseldorf und Mainz tätig. In dem C-Dur-Konzert hat der Blockflötist ein Fagott als quirligen Solo-Partner, und in dieser Aufnahme, in der die Streicher solistisch besetzt sind, wird auch klar, dass sie dialogisch nicht wenig gefordert sind.
Michael Schneider tut das Seine, um zu zeigen, dass mit diesen drei neu entdeckten Konzerten keineswegs zweitklassige Musik aufgetaucht ist, und die Cappella Academica Frankfurt (vor allem die Geiger Petra Müllejans und Hongxia Cui und die Fagottistin Katrin Lazar) sind selbstbewusste Gesprächspartner.