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Ins geigerische Neuland

CD-KRITK / PIETER HELLENDAAL

24/10/18 Man trug vermutlich das Etikett „Zukunftshoffnung“, wenn man als junger Geiger in die Schülerschar um Giuseppe Tartini vorgelassen wurde. In dessen Violin-Kaderschmiede in Padua ging es erwiesenermaßen selektiv zu. 1737 akzeptierte der Meister gerade neun Studenten – und selbst das dünkte ihn zu viel.

Von Reinhard Kriechbaum

Wann genau zwischen 1737 und 1743 der Niederländer Pieter Hellendaal bei Tartini studierte, ist nach derzeitigem Forschungsstand nicht zu erschließen. Jedenfalls war es eine Ehre, und das Handwerk – das lassen die 18 teils gedruckt, teils handschriftlich überlieferten Violinsonaten erkennen – hat er bei Tartini ordentlich gelernt.

Mit all diesen Sonaten konnte Hellendaal, der seine Brötchen sowohl als Organist als auch als Geiger verdiente, seine Fähigkeiten ins rechte Licht setzen. Manchen der in ihrer Qualität und ihrem Einfallsreichtum sehr unterschiedlich inspirierten Sonatensätze meint man unmittelbar anzumerken, dass es genau so gut klein besetzte Violinkonzerte sein könnten.

Ehrgeizig scheint Pieter Hellendaal 1721-1799) gewesen zu sein. In den Niederlanden (Utrecht, Amsterdam, Leiden) hielt es ihn nicht lange, Er brach mit Frau und Kind nach London auf. Bekundet ist, dass er in einer von Händel geleiteten Aufführung von „Acis an Galatea“ als Zwischenaktmusik ein Violinkonzert hören ließ. In King's Lynn (Norfolk) war er als Organist Nachfolger von Charles Burney (ein Hungerleider-Job), dann zog er weiter nach Cambridge, wo er die letzten drei Lebensjahrzehnte verbrachte.

Sieben Sonaten und einen Hornpipe-Einzelsatz hat Antoinette Lohmann mit ihrem Ensemble „Furor Musicus“ eingespielt, sechs Sonaten und besagte Hornpipe sind Ersteinspielungen. So etwas fordert schon geigerischen Unternehmungsgeist bei so viel Auf und Ab in der Qualität. Mit dem Tartini'schen Schatz an Verzierungen ist man bei Hellendaal jedenfalls stilistisch auf der richtigen Seite. Und eine Portion Draufgängertum, wie sie die holländische Geigerin mitbringt, trifft vermutlich genau die Intention der Stücke. So mancher Satz zeigt folkloristischem Einschlag, und dann stellen sie und ihr Ensemble sich so richtig bocksbeinig auf, nicht ohne immer wieder Wendungen ins Stilisierte zu nehmen und so die bäuerliche Anmutung zu brechen. Die Aufnahme selbst, die akustisch sehr direkt wirkt, sucht einen Live-Eindruck zu vermitteln (nein, es sind keine Live-Aufnahmen) und vermittelt sehr gezielt eine gewisse Spontaneität, die dieser Musik gut bekommt.

Geradezu prototypisch für Pieter Hellendaal ist die Sonate III op. 4: Sie hebt an mit einem Affetuoso, das von Händel sein könnte. Das folgende Allegro assai verleitet mit seinem launig-figurierten Thema erst zu einer deftigen Cello-Begleitung in vorlautem Pizzicato, dem manch andere gustiöse Continuo-Variante folgt. Und dann erst der dritte Satz mit seiner frivolen „Hänschen-klein“-Melodik! Zuerst nur die Melodie mit Bordun, dann alle möglichen handfesten Variationen. Was für ein Unterschied zur unmittelbar folgenden Sonate IV, deren Orgelbegleitung die Noblesse herauszeichnet.

Hellendaals Violinmusik ist gewiss kein Muss – aber es sind auch keine leeren Kilometer, wenn man sich auf sie einlässt.

Pieter Hellendaal, Violinsonaten. Antoinette Lohmann (Violine), Furor Musicus. GLO 5271 – www.globerecords.nl

 

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