Und nochmal: Vom Jahresregenten Haydn
HAYDN / PHILEMON & BAUCIS, LIEDER
23/12/09Der verkannte Musikdramatiker Haydn? Und der eigentlich wenig geachtete Liedkomponist? Im zu Ende gehenden Gedenkjahr noch ein paar Dinge, die man gehört haben sollte.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein bisserl schmunzeln muss man wohl, wenn der Chor "Jovis Donnerwagen" beschreibt: Der Chefgott "droht Vernichtung der frevelnden Welt" und das kommt dann doch recht tändelnd daher. Gerechterweise muss man mitdenken, dass die Story von "Philemon & Baucis" auf Esterhaza nicht mit allen Mitteln des spätbarocken Theaters aufgeführt wurde, sondern (höchstwahrscheinlich) aus Anlass der Eröffnung des Marionettentheaters. Und im Fädenpuppenformat nehmen sich eben "schnell zündende Blitze / geschleudert vom Sitze / des Donners" so bedrohlich auch wieder nicht aus. Wahrscheinlich hat die Musik recht gut zum Format des Puppentheaters gepasst.
Überhaupt: Haydns musikdramatisches Schaffen gerecht einzuschätzen ist, wie man weiß, so einfach nicht. Mozarts Genie verstellt die Sicht gründlich auf das, was eben nicht ganz so genial - aber doch auch deutlich besser ist als das, was damals sonst auf die Opernbühnen der Städte und Fürstenhöfe gelangte. Und sage bloß keiner, Haydn habe sich nicht ausgekannt auf dem Gebiet der Oper: Immerhin hat er zwischen 1776 und 1790 als esterhazyscher "Generalmusikdirektor" auch 88 Opern zur Premiere gebracht. Die Konkurrenz kannte er!
Eines seiner ersten bühnendramatischen Werken: "Philemon & Baucis". Dem haben sich Wolfgang Brunner und die Salzburger Hofmusik angenommen, mit Mitgliedern des Kammerchores Salzburg, mit Manuel Warwitz (Philemon), Nathalie Vincenth (Baucis), in weiteren Rollen Bernhard Berchtold und Ulrike Hofbauer. Es ist ein Fragment. Im Vorspiel halten die Götter Rat über die ihrer Meinung nach ziemlich verderbte Menschheit. Davon sind leider nur die Sinfonia und zwei weitere Instrumentalstücke überliefert. Die Noten zum Nachspiel (mit Anspielung auf die Uraufführungs-Zuhörerin, Kaiserin Maria Theresia) fehlen leider überhaupt. Das, was vorhanden ist: Hier wird's lustvoll und stilkundig dargeboten, und es bereichert also unser Wissen um den Musikdramatiker Haydn.
Auch Kammermusiker sind gut beraten beim "Vokalkomponisten" Haydn: Gleich 429 Volkslieder aus Schottland, Wales und Irland hat Haydn ja (zum Teil unterstützt von seinem Schüler Sigismund von Neukomm) für Singstimme, Violine, Violoncello und Klavier gesetzt. Ein hübscher "internationaler" Auftrag, der uns nicht zuletzt verrät, wie vielversprechend der Name Haydn damals auch über den Kanal tönte. Für eine kulinarische Auswahl hat das Duo Eva Steinschaden (Violine) und Alexander Vavtar (Klavier) sich zusammengetan mit dem Cellisten Detlef Mielke und dem Tenor Maximilian Kiener. Er ist ein Liedsänger, der sich sichtlich wohl fühlt bei der Gestaltung derTtexte und im Dialog mit den Instrumentalisten. Indem das Duo Steinschaden/Vavtar mitten hinein in diese volks-künstliche Lied-Blütenlese Beethovens Sonate für Violine G-Dur op. 96 stellt, wird betont, wie ernst die Volksliedbearbeitungen Haydns zu nehmen sind.
Und weil wir schon beim Liederkomponisten Haydn sind: Sein "Lob der Faulheit" ist eine der wenigen wirklich populären Nummern dieses Schaffenszweigs. Martina Jankovà war ihrerseits nicht faul und hat für eine CD mit dem Titel "Recollection" alles mögliche zusammengesucht: Englische Kanzonetten, natürlich auch eine Reihe von irischen und walisischen Volksliedern und obendrein ein paar Lieder, in denen schon bei der Textauswahl Haydns Humor, ja seine Ironie mitschwingt. Wir wissen ja: Philint steht - zur Freude der Nachbarn - doch nicht lang vor Babets Tür, die liebes-leidende Schäferin hängt sich "nur im Traum" für ihren Thyrsis auf, und das quicklebendige Paar Rosilis und Hylas darf sich ob der "späten Ankunft der Mutter" über eine intensive Kuss-Runde zusätzlich freuen.