Auf geraden und abwegigen Notenlinien

TÖNENDE SALISBURGENSIEN / ADLGASSER, MOZART, WÖLFL

24/12/09 Wie heißt es so richtig in einem der Booklets: "Nicht immer ist die Musikgeschichte gerecht." Doch nicht nur diese, sondern auch die Verantwortlichen für das angebotene Repertoire auf Tonträgern sind es nicht immer.

Von Horst Reischenböck

Zum Beispiel sind sie ungerecht Anton Cajetan Adlgasser gegenüber, Mozarts Vorgänger als Domorganist in Salzburg. Von dessen umfangreichen, vor allem sakralen Oeuvre ist derzeit nur eine von insgesamt elf Vertonungen des "Salve Regina" auf dem Markt. Dieses hat im Stift Kremsmünster überdauert. Dafür liegt es nun als Erstaufnahme vor: in einer mehr als bloß ansprechenden Interpretation durch Sabine Kaipainen aus der Schweiz. Sie wird begleitet von "The Moscow Baroque Soloists". Den Andante-Teil untermalt der Gatte der Mezzosopranistin, der Finne Tumoas Kaipainen konzertierend auf dem Fagott. Ebenfalls auf dieser CD: eine Kantate von Telemann aus dessen Sammlung "Der harmonische Gottesdienst" und eine Lamentatio seines Zeitgenossen Jan Dismas Zelenka. Und zum Schluss noch Joseph Haydns "Ariadne auf Naxos", begleitet von Jelena Dimitrijevic aus Bosnien an einem Andreas Stein nachempfundenen Hammerklavier.

Deren serbische Kollegin Jasmika Stan?ul hat das "Jenamy"-Konzert KV 271 (bekannter als Verballhornung "Jeunehomme") bei der Kulturvereinigung gespielt. Mit ihr als Solistin erschien zuletzt zusammen mit dem Haydn Orchester von Bozen und Trient unter Gustav Kuhn Beethovens Erstes und Fünftes Klavierkonzert, und nun eben Mozarts "Jenamy"-Konzert und sein letztes Klavierkonzert in B-Dur KV 595: ohne übertrieben larmoyant auf ein eventuell resignativ sich verabschiedendes "Alterswerk" abzuzielen, auch das tiefschürfende Andantino des genialen Vorgängers nicht zusätzlich emotional aufladend und quicken Fingers die spritzigen Gedanken der jeweiligen Finalsätze artikulierend. Dies alles zusammen in perfekter Übereinstimmung mit der in sich präzise austarierten Begleitung.

Ob Joseph Wölfl tatsächlich noch bei Mozart in Wien lernte, lässt sich nicht beweisen. Tatsache allerdings, dass der "Verwalter-Sepperl", als der er in der Literatur herumgeistert (als Sohn des Verwalters der Krankenanstalten kam er im selben Haus, in dem Michael Haydn wohnte, zur Welt), sowohl mit Schwester Nannerl wie Vater Leopold musizierte. Wölfl ist 1812 erst 39jährig in London gestorben und wurde unbekannten Orts begraben.

Zumindest zwei der jetzt erstmals erhältlichen Klavierkonzerte seiner Hand belegen jedoch Mozarts Einfluss. So paraphrasiert gleich der Einstieg in den ersten Kopfsatz das "Non piú andrai" aus dem "Figaro". Im zweiten Stück gemahnt eine Passage an "Il mio tesoro" aus dem "Don Giovanni". Besonders prachtvoll auftrumpfend und vor allem martialisch zu Beginn gebärdet sich dazwischen jenes "Grand Military". Johannes Moesus dirigiert das Rundfunkorchester Kaiserslautern, Yorck Kronenberg tanzt virtuos durch die technisch anspruchsvollen Soli: Wölfls ähnlich wie jene Paganinis spinnenfingrige Hände umspannten immerhin eine Duodezime!

Noch ehe Beethoven erste Streichquartette veröffentlichte, erschien 1797/98 Wölfls Sammlung op. 4: eine der dem damalig beliebten Typus des "Quatuor concertant" verpflichtete Trias. Zwar wird man vergeblich im c-Moll der Nr. 3 nach speziell dramatisierenden Ausbrüchen suchen, hingegen bezaubert etwa der abwechslungsreich wie eine Serenade anhebende Variationensatz des Erstlings. Das auf Originalen und Kopien (u. a. einer Stradivari-Geige) musizierende Authentic Quartet aus Ungarn war ihnen liebevoller Sachwalter zum genussvollen Hören.