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„Wir sind so klein, und trotzdem dieser Hass!“

GEDENKEN / BÜCHERVERBRENNUNG

27/04/21 Dem Glockenspiel zuhören, jenem Lied „S’brent! briderlekh, s’brent!“, das Mordechai Gebirtig (1877-1942) textete und komponierte. Mehr ging im Vorjahr nicht. Aber auch heuer wird man das Lied von dem jüdisch-polnischer Dichter und Komponisten hören können.

Von Reinhard Kriechbaum

Wenn man heuer am Freitag 30. April um 18 Uhr an die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz erinnert ist Publikumspräsenz nicht möglich. Aber auf Youtube und FS1 wird man live dabei sein können. „Das Gedenken darf trotz Pandemie keine Pause machen“, so der Historiker Albert Lichtblau, einer der Proponenten der Initiative Freies Wort, die auch dieses Jahr eine Gedenkveranstaltung ausrichtet.

In einem digitalen Pressegespräch heute Dienstag (27.4.) haben die Veranstalter betont, dass es viel weniger ums Gedenken als ums Bewusstmachen im Heute geht. Es traf sich ja zufällig, dass in den Medien gerade die Rede ist von der besorgniserregenden Zunahme antijüdischer Vorfälle. 585 sind der Jüdischen Gemeinde bekannt. Das sind um um 6,4 Prozent mehr als 2019. Die Zahl physischer Angriffe hat sich auf elf fast verdoppelt. „Verletzendes Verhalten“ wurde 364 Mal registriert, das ist mehr als ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Guter Grund also „bei uns selbst zu schauen“, wie es der Germanist Karl Müller formuliert. Man brauche „nicht weit weg zu gehen“, um Besorgniserregendes zu entdecken. Hanna Feingold, die der Jüdischen Gemeinde in Salzburg vorsteht, sagt dazu: „Ich finde keine Worte – wir sind so klein, und trotzdem dieser Hass!“

Das Gedenken heuer steht unter dem Motto Haltung einst : jetzt. Ein „heikles Wort“, wie Karl Müller findet, denn „viele Institutionen kapern das Wort, weil es positiv konnotiert ist“. Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann nennt als Beispiel: „Auch Corona-Leugner haben eine Haltung.“ Und Albert Lichtblau zum populistischen Zeitgeist: „Erfolgsgeschichten wie Polen, Ungarn sind verführerisch.“ Hans Peter Graß vom Friedensbüro will auch die bedrohte Pressefreiheit thematisiert wissen.

Von vielen Seiten also hohe Sensibilität gegen auf verschiedenen Ebenen eskalierende Intoleranz. Deshalb ist die Liste jener Institutionen, die am Gedenken der Initiative Freies Wort mitwirken, ansehnlich lang: Salzburg Museum, Salzburger Autorengruppe, Stefan Zweig Zentrum, Stolpersteine Salzburg, Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, KZ-Verband/VdA Salzburg, Plattform für Menschenrechte, Friedensbüro, Israelitische Kultusgemeinde, erinnern.at, Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte, Katholische Aktion, Afro-Asiatisches Institut, Caritas, Diakonie Flüchtlingsdienst, Waldorfbildungsverein, Literaturhaus Salzburg, Arbeiterkammer und Akzente Salzburg.

Was also wird am kommenden Freitag stattfinden? Doron Rabinovici hält die einleitende Rede, dann gibt es Slam-Poetry und Musik. Mit Yasmin Hafedh (Österreich), die auch moderiert, Dalibor Marković und Meral Ziegler (beide Deutschland) sowie Tanasgol Sabbagh (Iran/D) und Henrik Szanto (Finnland/GB). Musik kommt live vom Duo Georg Winkler & Hubert Kellerer. Und danach die Glockenspiel-Melodie von dem 1942 im KZ umgekommenen Mordechai Gebirtig.

Das alles findet auf der historischen Jedermann-Bühne im Innenhof der Neuen Residenz (Salzburg Museum) statt und wird live gestreamt. Tomas Friedmann: „Es geht nicht nur um einen historischen Rückblick. Ziel ist stets, die Verbindung zur Gegenwart deutlich zu machen und ein mutiges Zeichen gegen Intoleranz und für Mitsprache zu setzen.“

Live-Stream am 30. April ab 18 Uhr – www.fs1.tv; www.literaturhaus-salzburg.at
Bilder: Stills vom Online-Pressegespräch
Zum Stich-Wort „S’brent! briderlekh, s’brent!“

 

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