Zehn Millionen Menschen an Buchstaben herangeführt
HINTERGRUND / 10 JAHRE STADT-LESEN
28/08/18 Das Bild ist schon vertraut: Auf dem Mozartplatz sind Sitzmöbel aufgestellt, die Menschen, die gewillt sind, sich Zeit zu nehmen zum Lesen, können aus Büchertürmen – insgesamt dreitausend Bücher – das ihnen Passende ziehen. Knotzen und Lesen unter freiem Himmel, und das kostenlos.
In der von Events geplagten Altstadt macht sich StadtLesen durch Ruhe sehr positiv bemerkbar. Weitgehend Stille jedenfalls, aber Lärm herrscht auch im „Readers Corner“ keiner, einer Vorlese-Ecke für selbsternannte Schriftsteller. Den Freitag (31.8.) hat man zum „Integrationslesetag“ erklärt. Da sind Bürger mit Migrationshintergrund eingeladen, selbst verfasste Texte in der jeweiligen Muttersprache vorzulesen. Am Sonntag (2.9.) ist „Familienlesetag“. Da ist in den Regalen mehr Kinder- und Jugendliteratur zu finden.
Zum zehnten Mal macht die Aktion „StadtLesen“, eine Initiative von Sebastian Mettler und seiner in Salzburg beheimateten „Innovationswerkstatt“, hierorts Station. „Ich behandle mit StadtLesen die Entphantasierung der Gesellschaft“, sagt Mettler engagiert, denn „unweigerlich eröffnen Bücher auch Phantasie in den Köpfen ihrer Rezipienten“.
In Wien hat der Bücher-Pulk heuer schon Station gemacht, so wie in Linz, Bregenz und Innsbruck. Auch im nahen Bad Reichenhall war man heuer schon. Nach Salzburg (30. August bis 2. September) kommen in Österreich noch Graz (6. bis 9.9.) und Klagenfurt (27. bis 30.9.) an die Reihe. In weiteren 18 deutschen Städten findet „StadtLesen“ ebenfalls statt, also heuer an 26 Orten insgesamt. In einer Aussendung der Innovationswerkstatt heißt es, dass sich 234 Orte darum bemüht hätten. 108 Lesetage, 1296 Lesestunden sollen es heuer jedenfalls werden. „Nach zehn Jahren wird StadtLesen 209 Städten an insgesamt 836 Tagen Lesegenuss gebracht haben. Mehr als zehn Millionen Menschen werden in StadtLesensStädten mit der Kulturtechnik des Lesens in Berührung gekommen sein - und das circa 10.032 Stunden.“
StadtLesen reifte aus dem Innovationswerkstattsprojekt „Bibliotels“. Auf dieser touristischen Vermarktungsschiene sind dreißig Hotels in Österreich, Deutschland, Italien, Südfrankreich und der Schweiz Hotels vereint, die als Mindeststandard eine gut sortierte Bibliothek mit mindestens 300 Büchern offerieren. „Oft sind es mehrere tausend und oft auch fremdsprachige Literatur“, so Sebastian Mettler. Eine anregende Lese-Infrastruktur wird in den Bibliotels versprochen, unter Dach und im Freien. Man muss sich also zum Lesen nicht ins eigene Zimmer verkrümmeln. Auf der Website der Bibliotels kann man auch online Lesesofas, Sitzkissen und dergleichen bestellen, und natürlich auch Gutscheine für die Lesehotels.
Das Geschäftsmodell bei StadtLesen und in den Bibliotels zielt auf die Vernetzung von Wirtschaftszweigen und aufs Wecken von Lesehunger – und das passiert so unterschwellig wie möglich. Sein Unternehmen „Innovationswerkstatt“ bezeichnet Sebastian Mettler auch nicht als Werbe- oder PR-Agentur, sondern als „Know-How-Pool zu ganzheitlichen Möglichkeitsfindung“. Das muss einem erst einfallen.
Und wenn schon von Unterschwellig die Rede ist: Die Schwellen sollen beim StadtLesen so niedrig wie möglich sein, so wie auch die Bücherflut in den Bibliotels nicht unbedingt an Sterne und Luxus gekoppelt sein soll. (Innovationswerkstatt/dpk-krie)