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Literarischer Rock’n’ Roll

PREIS DER LITERATURHÄUSER / JAROSLAV RUDIŠ

24/04/18 Kaum sind seine Romane auf Tschechisch geschrieben, sind sie auch schon übersetzt – auf Deutsch, Polnisch, Schwedisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch. Theaterfassungen oder Drehbücher folgen auf dem Fuße, genau wie Preise und Auszeichnungen. Jüngst ging der Preis der Literaturhäuser 2018 an Jaroslav Rudiš, den Meister des Crossover.

Von Heidemarie Klabacher

Das Netzwerk der Literaturhäuser verleiht den Preis der Literaturhäuser 2018 dem tschechischen Schriftsteller, Dramatiker, Drehbuchautor und Publizisten Jaroslav Rudiš. Zum Preis gehört eine Lesereise in die Literaturhäuser in Deutschland und Österreich. Am Mittwoch (25.4.) macht Jaroslav Rudiš Station in Salzburg.

Jaroslav Rudiš wurde 1972 im nordböhmischen Turnov geboren. Er studierte Germanistik, Geschichte und Journalistik in Liberec, Zürich und Prag, bevor er mit einem journalistischen Stipendium nach Berlin an die Freie Universität kam. Rudiš arbeitete als Lehrer und Journalist. 2002 erschien sein erster Roman „Nebe pod Berlínem“, auf Deutsch dann 2004: „Der Himmel unter Berlin“ spielt natürlich an auf Wim Wenders legendären hochpoetischen Film „Der Himmel über Berlin“. Gleich für den Erstling erhielt Jaroslav Rudiš den Jiří-Orten-Preis.

2006 veröffentlichte der Prager Labyrint Verlag seinen zweiten Roman „Grandhotel“, der wieder zwei Jahre später auf Deutsch erschien und mit Jaroslav Rudiš in einer Nebenrolle verfilmt auch auf der Berlinale gezeigt wurde. Seither erschienen fast jährlich Romane, die Eva Profousová ins Deutsche übersetzt hat, Theaterstücke, Kino- und Fernsehfilme, Hörspiele, Opernlibretti und Essays in überregionalen deutschsprachigen Zeitungen. Zur heute Dienstag (24.4.) zu Ende gehenden Leipziger Buchmesse erschien in der Edition Thanhäuser das jüngste Werk von Rudiš: der auf Deutsch verfasste, mit Holzschnitten gestaltete Kurzprosa-Band „Der Besuch von Herrn Horváth“. Im März nächsten Jahres soll der erste komplett auf Deutsch geschriebene Roman des Autors im Luchterhand Literaturverlag erscheinen.

Jedes neue Buch von Jaroslav Rudiš – zuletzt 2014 und 2016 die bei Luchterhand erschienenen Romane „Vom Ende des Punks in Helsinki“ und „Nationalstraße“ – wird beachtet, gelobt und sogleich übersetzt, etwa ins Polnische, Schwedische, Französische, Spanische oder Italienische. Zu „Nationalstraße“ entstanden prompt Theaterfassungen in Bremen und Dresden. Die Filmfassung wird 2018 in die Kinos kommen, Rudiš schrieb dafür mit einem Co-Autor das Drehbuch.

Der heute 45-jährige tschechische Schriftsteller habe die die tschechische und deutschsprachige Literatur in den vergangenen Jahren aber nicht nur mit seiner Prosa bereichert, so die Leiter der Literaturhäuser, besondere Aufmerksamkeit errege er mit seinen Crossover-Arbeiten. Zusammen mit dem in Tschechien als Rocksänger gefeierten Jaromír Švejdík, alias Jaromír 99, brachte er die Graphic Novel „Alois Nebel“ heraus, die auch im Literaturhaus Salzburg in einer Ausstellung präsent war. Die gleichnamige Filmversion wurde als Bester Animationsfilm mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet.

Ausgehend vom Literaturhaus Stuttgart entstand dazu ebenfalls 2012 eine Ausstellung, die in etlichen Literaturhäusern im deutschen Sprachraum gezeigt wurde und durch Europa tourte. Ein anderer Grenzgang führt den leidenschaftlichen Bahnfahrer und Bierkenner Rudiš immer wieder zur Musik. 2013 gründete er mit Jaromír 99 die Kafka Band. In Zusammenarbeit mit fünf der bekanntesten Rockmusiker Tschechiens wurde die CD zu Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloss“ eingespielt, es gab Konzerte von den Niederlanden bis in die Ukraine. 2015 gab es eine inszenierte Fassung am Theater Bremen. Im Vorjahr folgte mit „Amerika“ eine weitere Kooperation mit dem Bremer Schauspiel-Ensemble.

„Jaroslav Rudiš zeichnet in seinen Texten mit Ironie und feinem Gespür für die Alltagsängste der Menschen die Gesellschaft anhand von besonderen Typen nach, die häufig Opfer tragikomischer Ereignisse sind. Dabei begibt er sich gern in den Untergrund und an die Ränder von Orten, Zeiten und Leben, um einen umso schärferen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen. So sind seine Bücher cool, witzig, kritisch, politisch, poetisch, widerständig, anti-bürgerlich, berührend und verführerisch – kurzum: literarischer Rock’n’ Roll.

Jaroslav Rudiš schreibt auf Tschechisch und Deutsch und spricht mehrere Sprachen. Er lebt als freier Autor in Berlin und in Lomnice nad Popelkou im Böhmischen Paradies, nahe der tschechischen Stadt Jičín, dem Geburtsort von Karl Kraus. 2014 wurde Rudiš als „wichtige tschechische Stimme im Konzert der europäischen Gegenwartsliteratur“ mit dem Usedomer Literaturpreis ausgezeichnet. „Mit dem Preis der Literaturhäuser 2018 ist er hoffentlich endgültig in der deutschsprachigen Literatur angekommen“, so Tomas Friedmann: Die Programmleiterinnen und Programmleiter der im Netzwerk verbundenen Literaturhäuser ehren Jaroslav Rudiš für sein vielfältiges literarisches Werk und als Autor, der in öffentlichen Auftritten, in Lesungen und Diskussionen, als Musiker und in Crossover-Projekten das Publikum zu begeistern versteht.

Frühere Preisträger waren Ulrike Draesner (2002), Bodo Hell (2003), Peter Kurzeck (2004), Michael Lentz (2005), Uwe Kolbe (2006), Sibylle Lewitscharoff (2007), Anselm Glück (2008), Ilija Trojanow (2009) , Thomas Kapielski (2010), Elke Erb (2011), Feridun Zaimoglu (2012), Hanns Zischler (2013), Judith Schalansky (2014), Nicolas Mahler (2015), Ulf Stolterfoht (2016) und Terézia Mora (2017).

Der Preis der Literaturhäuser wurde am 15. März im Literaturhaus Leipzig verliehen. Er besteht aus einer Lesereise durch die im Netzwerk zusammengeschlossenen Literaturhäuser und ist mit 15.000 Euro dotiert.

Morgen Mittwoch (25.4.) liest Jaroslav Rudiš um 19.30 im Literaturhaus Salzburg, die restlichen Stationen sind in den Tagen darauf die Literaturhäuser Stuttgart, Frankfurt, Köln und im Juni Rostock.

Am Mittwoch (25.4.) liest Jaroslav Rudiš um 19.30 im Literaturhaus Salzburg im Rahmen des Festivals Europa der Muttersprachen - www.literaturhaus-salzburg.at
Bild: Labyrint Verlag

 

 

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