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Das Jesuskind klaut eine Spielkarte

LESEPROBE / WEIHNACHTSBRÄUCHE IN ÖSTERREICH

04/12/12 Im Buch „Weihnachtsbräuche in Österreich“ von Reinhard Kriechbaum, erschienen im Verlag Anton Pustet, ist auch die Christkindl-Verehrung ein Thema. Allein in Salzburg kann man himmlischen Segen von dieser Seite an drei Orten erbitten.

Von Reinhard Kriechbaum

Das „himmlische“ Postamt mit der Postleitzahl A-4411 hat das einst als wundertätig eingestufte Steyrer Christkindl weltberühmt gemacht. Viel weniger bekannt ist, dass es in Österreich noch vier weitere Orte gibt, an denen Gläubige sich den Segen des Mensch gewordenen Gottessohnes erbitten können. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Da ist zum Beispiel das „Filzmooser Kindl“: In der kleinen Gemeinde im Salzburger Pongau steht die spätgotische, knapp achtzig Zentimeter große Holzfigur in einem Glaskästchen auf dem Altar, ein Glöckchen in der Hand. Warum das Glöckchen? Hirten, die in der Gegend arbeiteten, sollen das Wachsfigürchen, das mit feinem Bimmeln auf sich aufmerksam machte, entdeckt haben und nach Altenmarkt zum Pfarrer gebracht haben. Aber in der Nacht darauf verschwand das „Kindl“ wieder und kehrte auf wundersame Weise nach Filzmoos zurück. Damit war klar: Hier musste eine Wallfahrtskirche her!

Als Hochzeitskirche ist sie bis heute sehr beliebt im Bundesland Salzburg – und Ehepaare mit Kinderwunsch pilgern gerne hierher. Diese Wallfahrt soll schon im 15. Jahrhundert begonnen haben. Seit 1777 trägt das Filzmooser Kindl eine Krone.

Nur neun Zentimeter ist das Salzburger „Loreto-Kindlein“ groß, aber es hat viele verschiedene Gewänder, die mit Perlen und kostbarer Stickerei verziert sind. Die Kleider werden der liturgischen Jahreszeit gemäß gewechselt. Das Figürchen kam im 17.Jahrhundert aus dem Elsass nach Salzburg und wird dort im Loreto-Kloster (nicht weit vom Schloss Mirabell) verehrt. „Viele Menschen kommen zum Gnadenreichen Loretokindlein um Hilfe und Trost durch seinen Segen zu bekommen. Von ihm ging bereits viel Gnade aus und deshalb kommen die Menschen auch wieder zurück, um für die Gebetserhörung zu danken“, berichtet Schwester M. Johanna Blattl, Oberin der Kapuzinerinnen von der Ewigen Anbetung in Salzburg. „Wir Kapuzinerinnen von der Ewigen Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes haben unseren Namen, weil wir Tag und Nacht Ehrenwache vor Jesus im wunderbaren Geheimnis der Liebe – vor der hl. Eucharistie – halten. Und das schon seit fast 70 Jahren. Es ist unser wichtigster Dienst“, erzählt Sr. M. Johanna.

Das originale Loretokindlein steht am Anbetungsaltar. Täglich um 14 Uhr gibt es den Segen, und er wird auch in alle vier Himmelsrichtungen verteilt, „für alle, die Jesus nicht kennen – zum Heil der Welt“. Die Pförtnerin hat eine Replik der Figur jedenfalls immer bei der Hand. Wenn Gläubige darum bitten, langt die Klosterschwester durchs Gitter, hält dem Betenden die Figur auf den Kopf und spricht ein Segensgebet. Die Wallfahrer nehmen „angerührte“ (also mit der Figur berührte) Nachbildungen des Hemdes oder der Windeln als Amulette mit. Selbst fromme Amerikaner pilgern hierher oder machen dem Loreto-Kindl und den die Wallfahrt betreuenden Franziskanerinnen ansehnliche Geldgeschenke, hört man.

Auch im Salzburger Kloster Nonnberg können Gläubige an der Pforte vorsprechen und bekommen dann eine kleine Wachsfigur gereicht, Nachbildung eines in der Klausur aufbewahrten Christkindls. Das „Nonnberger Trösterlein“ steht für eine Tradition in vielen Frauenklöstern: Die Schwestern bekamen beim Eintritt ins Kloster geschnitzte oder aus Wachs gebildete Jesuskindfiguren mit, einen „Himmlischer Bräutigam“. Eine solche Figur ist auch das „Nonnberger Trösterlein“. Es stammt aus dem Jahr 1520, trägt ein rotes Mäntelchen und Häubchen und hält in der rechten Hand einen Apfel. Der soll an Evas Vergehen im Paradies erinnern.

Eine hübsche Geschichte rankt sich um das „Haller Jesuskind mit der Spielkarte“: Während der protestantischen Glaubenskämpfe im Schweizer Engadin wurde die Holzstatue (Teil einer Marienfigur mit Kind) einfach in den Inn geworfen. Im Tiroler Hall, nicht weit von Innsbruck, fischte man das Jesuskind aus dem Fluss. Die adeligen Fräulein im Haller Damenstift restaurierten das Figürchen und stellten es in ihrer Kirche zur Verehrung auf.

Was für eine Bewandtnis hat es mit der Spielkarte, die das Kindlein in einer Holzkapsel am Armband trägt? Das Haller Jesuskind – „Hausvaterle“ sagen die Sacre-Coeur-Schwestern liebevoll - hat der Legende nach ein besonderes Wunder vollbracht: Es soll in ein Spiel eingegriffen und eine wichtige Karte an sich genommen haben. So wurde ein notorischen Spieler vor dem eigenem Ruin und dem seiner Familie bewahrt haben. Der fromme Kartenklau des Haller Jesuskinds führte dazu, dass Frauen, deren Männer der Spielleidenschaft verfallen waren, hierher pilgerten und Hilfe erbaten.

WO? Das „Filzmoser Kindl“ ist immer zu sehen, die Kirche ist ganztägig geöffnet (Salzburg). – Das Loreto-Kloster befindet sich in der Paris-Lodron-Straße 6, unweit der Bus-Ausstiegstelle. – Das Kloster Nonnberg (ebenfalls Stadt Salzburg) ist in einem Spaziergang vom Domplatz in zehn Minuten zu erreichen. – Das „Haller Jesuskind“ befindet sich im Herz-Jesu-Kloster (Schulgasse 2) in Hall/Tirol.

WANN? Mit dem „Filzmoser Kindl“ sind keine speziellen Riten verbunden, es wird ganzjährig angebetet. – Den Segen im Salzburger Loreto-Kloster gibt’s täglich um 14 Uhr an der Pforte (0662/871163). – Das Nonnberger Trösterlein wird im Aussprachezimmer gereicht (0662/ 84 16 07-0). – Anmeldung im Herz-Jesu-Kloster Hall: 05223/56258

Reinhard Kriechbaum: Weihnachtsbräuche in Österreich. 196 Seiten. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2010. 24.- Euro – http://www.pustet.at/Weihnachtsbraeuche-in-Oesterreich_33_p21.html
Bilder: dpk-krie
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet

 

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