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Die Benedikt-Diät

BUCHBESPRECHUNG / ELLEGAST / DER WEG DES RABEN

21/03/10 Adson von Melk kennt man aus „Der Name der Rose“. Er ist der unbedarfte Schüler und Assistent des William von Baskerville. Und dieser klärt - elegant wie ein zölibatärer James Bond - einen bluttriefenden Fall von Macht-, Novizen- und sonstigem Missbrauch auf:  Um 1200 herum. Viel hat sich seither nicht geändert.

Von Heidemarie Klabacher

Grad’ deswegen sind wenige Bücher so kritisch und zugleich so geeignet, das Wissen um die Strukturen mönchischen Lebens - das Stundengebet, das Psalmensingen oder auch nur die Buchherstellung im Mittelalter - unter „Laien“ lebendig zu halten zu halten, wie „Der Name der Rose“.

Entschieden weniger reißerisch, aber mindestens so spannend - und ebenso voller Fakten und Informationen über das, was in unserer „westlichen“ Welt die Wurzeln unserer Kultur und Zivilisation ausmacht - ist „Der Weg des Raben“ von Burkhard Ellegast.

Der Priester, Benediktinermönch, Novizenmeister (als solcher wäre er um 1200 für Adson und Co. zuständig gewesen) und ehemalige Abt des Stiftes Melk hat ein wohltuendes Buch geschrieben: als einer der seine uralten Wurzeln in der Vergangenheit des europäischen Mönchtums ebenso liebt, wie deren jüngste Triebe in der Gegenwart.

Ich bin überzeugt, dass der Weg der unmittelbaren Nachfolge nicht gangbar wäre, wenn nicht auch der Weg einer menschlichen Beziehung genauso erstrebenswert und realisierbar schiene. Das ist so ein wohltuender Satz. Immerhin ist Altabt Burkhard Ellegast einer, der weiß, wovon er redet, wenn er vom Zölibat spricht. Das Thema ist ja derzeit sogar straßenumfragen-tauglich: Menschen, die mit „der Kirche“ mehr oder weniger viel am Hut haben, legen mit einer Sicherheit, wie sie nur absolute Unbedarftheit geben kann, den Finger in die Wunde: „Kein Zölibat - kein Missbrauch.“ Woher dann der Missbrauch in weltlichen Einrichtungen und vor allem der Missbrauch innerhalb des engsten Familienkreises kommt, wissen auch die Umfrager nicht zu fragen. Aber darum geht es hier nicht.

Hier geht es um das ebenso brillante wie berührende Buch eines Glaub-Würdigen.

Wenn es nun gläubige Menschen gibt, die in den verschiedensten Berufen und Bereichen leben und die eine gewisse Verbindung mit uns eingehen, könnte durch sie auch unser Wirken verstärkt werden. Das ist noch so ein wohltuender Satz, der von Weltoffenheit spricht: Wir sind der Meinung, dass das Miteinander unserer klösterlichen Gemeinschaft mit Menschen, die in der Welt leben, für beide Seiten, für sie und für uns, eine große Bereicherung bedeutet. Von wegen „Priesterkirche“ - an der auch nichts Schlechtes wäre, wenn es nur genug von ihnen gäbe.

„Mach es anders.“ Das ist eine Art Lebensmotto für Altabt Burkhard Ellegast geworden: Sein Novizenmeister hat einst „einer Frau am Straßenrand“ erste Hilfe verweigert, weil er dann zu spät zum Stundengebet gekommen wäre. Dieses Erlebnis hätte fast zum Ende des Klosterlebens des Novizen Burkhard geführt. Bis ihm ein anderer Lehrmeister gesagt hat: „Mach es anders.“

Wohltuend einfach und nachvollziehbar ist etwa auch die Analyse der Leib- und Lustfeindlichkeit in der Kirche. Burkhard Ellegast sucht nach den historischen Wurzeln: Im jungen Christentum glaubten die Menschen, das Ende der Welt wäre nahe: „Da war nur mehr das innere und äußere Dasein für den Herren wichtig und richtig.“ Die Verfolgungszeit der ersten drei Jahrhunderte „war ebenfalls nicht besonders hilfreich, zu einem frohen Leben zu ermuntern.“ Nach dem Ende der Verfolgungszeit kam es zu einem „gewissen Schlendrian“. Und Augustinus, einer der zunächst selber alles getan hat, was Gott verboten hat, brachte schließlich eine „leibfeindliche Haltung ins Christentum herein“, fasst Ellegast zusammen. Um im nächsten Satz zu betonen: „An sich ist diese welt-verneinende Haltung nicht Christlich: Gott schuf  den Menschen so, wie er ist, mit Leib und Seele.“

Wohltuend gut verständlich - und eine Nachhilfe, die ihre Schüler nicht beschämt: Die Ausführungen von Burkhart Ellegast zu den Wurzeln Europas, zur Regel des Heiligen Benedikt (und warum sie für Manager so interessant ist), zur mittelalterlichen Klosterlandschaft oder zum geistigen und gesellschaftspolitischen Umbruch nach dem zweiten Weltkrieg.

Als Altabt Burkhard Ellegast 14 Jahre alt war, wurde in der Nähe seiner Heimatstadt Melk „eine frühere Kaserne zu einer Zweigstelle des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen umfunktioniert“. Wohltuend, dass da wenigstens einer war, der gesehen und gewusst hat: „Tag für Tag trieben Angehörige der Waffen-SS die Häftlinge von der Kaserne zum Bahnhof. Von da wurden sie in den Stollen zur Zwangsarbeit gebracht. Immer wieder musste ich den traurigen Zug sehen.“ Wohltuend, dass Ellegast auch hier nicht verurteilt, sondern Solschenizyn zitiert: „Gut und Böse sind nur einen Windhauch voneinander entfernt.“

Burkhard Ellegast: Der Weg des Raben. ecowin Verlag, Salzburg 2010, 230 Seiten, 21,90 Euro.
Bilder: www.ecowin.at / Martin Vukovits

 

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