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Der lateinische Krieg findet nicht statt

BUCHBESPRECHUNG / NEUMAYR / ZWISCHEN KAISER UND REICH

24/03/10 Heinrich Himmler, dem „Bluthund Europas“, hat er nachgespürt, dem Sexualverhalten Hitlers, aber auch dem historischen Jesus von Nazareth. Sein vierbändiges Opus „Musik und Medizin“ ist ein Klassiker, der nicht den Partituren, sondern den Krankengeschichten von Haydn und Mozart, Wagner und Bruckner oder Chopin und Mahler gilt. Nun hat Anton Neumayr, der Pianist, Philosoph und Historiker unter den Internisten den Salzburger Fürsterzbischöfen nachgespürt.

Von Heidemarie Klabacher

Die Wiener vereinnahmen Anton Neumayr ja gerne als „Wiener Internisten“. Er ist aber Sohn jenes Anton Neumayr (1887 bis 1954), der Bürgermeisters von Hallein und Salzburg, Landtagspräsidenten und Landeshauptmann-Stellvertreters war. Der Salzburger behandelt nun auf seinem „Historischen Streifzug durch das Jahrtausend des geistlichen Fürstentums Salzburg“ ein für ihn ganz und gar heimatkundliches Thema.

Dabei gibt sich der 1920 in Hallein geborene, also neunzigjährige Autor überaus bescheiden. Im Vorwort schreibt er: In dem von Dopsch und Spatzenegger präsentierten vierbändigen, monumentalen Werk über die „Geschichte Salzburgs“ haben die Herausgeber und Mitarbeiter … einen erschöpfenden Überblick über alle nur denkbaren weltgeschichtlichen, kulturgeschichtlichen und natürlich im besonderen auch kirchengeschichtlichen Teilaspekte gegeben. … Diese Fundgrube ermöglichlicht es auch einem historisch nicht universitär vorgebildeten, als Mediziner tätigen Autor, sich ein Bild von der Politik weltlich regierender, geistlicher Reichsfürsten am Beispiel Salzburgs zu verschaffen.

Aufgedröselt zu bekommen, wie eng dabei Welt- und Lokalpolitik ineinander greifen und miteinander verzahnt sind, ist das eigentlich Spannende an Neumayrs Buch. Das beginnt bei Karl dem Großen: Einer dieser Bischöfe, mit dem er später fast freundschaftliche Bande knüpfte, war der noch vom Bayerherzog Tassilo im Jahr 785 eingesetzte Nachfolger Virgils in Salzburg, der aus dem fränkischen Kloster St. Armand stammende Abt Arn (798-812). … König Karl fielen schon sehr bald das ungewöhnliche Organisationstalent, die rasche Auffassungsgabe und vor allem die beneidenswerte Weitsicht in politischen Dingen auf, die der neue Salzburger Bischof an den Tag legte und die den König bewogen, ihn in Zukunft auch in weltlichen Belangen als gewandten Diplomaten von höchster Stelle zur Lösung heikler politischer Probleme bevorzugt heranzuziehen.

altDabei reiht der „Hobby-Historiker“ keineswegs Ruhmesblatt an Ruhmesblatt. Gerade die Reformationszeit etwa wäre dafür auch gar nicht geeignet. Geradezu harmlos ist da etwa die Geschichte mit der unverschämt hohen „Weihesteuer“ anlässlich der Erhebung Kardinal Matthäus Langs zum geistlichen Landesfürsten. Lang hat nicht gezögert, angeheuerte Truppen aus Tirol gegen die eigene Bevölkerung aufmarschieren zu lassen. Da viele Gelehrte und Studierende unter den „Aufständischen“ gewesen sein sollen, spricht man vom „Lateinischen Krieg“. Aber auch die Bildung nutzte nichts: Die Bürgerschaft musste sich  unterwerfen und auf alle Freiheiten und Rechte „auf ewig“ verzichten. Und Fürsterzbischof Lang machte sich daran, gegen die Lutherischen vorzugehen. Aufständische Bauern, Lutherische, Wiedertäufer, Hexen und sonstige Ketzer muss es seinerzeit zu Hauff gegeben haben. Die Suche nach Wiedertäufern wurde im Lande Salzburg noch das ganze 16. Jahrhundert hindurch betrieben und noch kurz vor dem Tod Matthäus Langs im Jahr 1540 fanden zwei weitere Ketzerprozesse statt. Da der gestrenge Kardinal zuletzt an Alterschwachsinn litt, hatte er davon wohl keine Notiz mehr genommen. Ausführungen zur Psychopathologie der Fürsterzbischöfe folgen nicht. Schade eigentlich, dass an solchen Stellen der Mediziner Neumayr dem Historiker kein Material geliefert hat.

Mit den Nachweisen hat er es überhaupt nicht so: Im letzten Kapitel „Aufklärung und Säkularisation“ heißt es über Hieronymus Graf  Colloredo: Wenn auch viele seiner später kritisierten Handlungen, seine lehrhafte Pedanterie und Besserwisserei oder seine bis zum Geiz ausgeartete Knausrigkeit sein Bild sowohl bei den Zeitgenossen wie auch für die Nachwelt beschädigt haben mögen, so war dennoch sein Reformeifer dazu angetan, „als Fackelträger der Aufklärung das Licht der Erkenntnis in die mystisch dunkle Sphäre der mittelalterlichen Frömmigkeit Salzburgs hineingetragen zu haben“. Wahrscheinlich ist es Pedanterie, hier eine Fußnote zu fordern, die die hübsche Formulierung mit dem Fackelträger (in Anführungszeichen) ihrem Urheber zuordnet.

Auch das Literaturverzeichnis und der Fotonachweis sind eher kreativ als informativ ausfallen. Die Angabe „Forstner, K., Das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg. Graz 1974“ in Google eingebeben fördert immerhin etliche Einträge und den Hinweis auf die Faksimile-Ausgabe der ADEVA zutage - Graz 1974 eben. So ist nach der Lektüre auch noch die Literatur-Spurensuche spannend und unterhaltsam.

Anton Neumayr: Zwischen Kaiser und Reich. Historischer Streifzug durch das Jahrtausend des geistlichen Fürstentums Salzburg. Ibera Verlag, Wien, 2009. 191 Seiten, 19 Euro.

Buchpräsentation ist heute Mittwoch (24.3.) um 19.30 Uhr in der Bankhalle der Raiffeisenkasse Schwarzstraße 13-15. Mit dem Autor spricht Prälat Johannes Neuhardt.

 

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