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Die Heiterkeit des Geistes

LESEPROBE / IN SEARCH OF EXCELLENCE

02/05/12 Der Komponist Gerhard Wimberger, Jahrgang 1923, ist ein Augen- und Ohrenzeuge der sechzigjährigen Geschichte der Camerata Salzburg. Im neuen Buch über das Orchester, „In Search of Excellence“, beschreibt er die Zeit, als das Ensemble noch „Camerata Academica“ geheißen hat und sein Musizierstil von Bernhard Paumgartner geprägt wurde. Über Paumgartner als Mozart-Dirigent.

Von Gerhard Wimberger

Wie würde er (Bernhard Paumgartner, Anm.) wohl die doch andere Art, heute Mozart zu spielen, sehen und kommentieren? Er hatte stets von der „Labilität“ des sogenannten Mozart-Stils gesprochen, denn er war der Meinung: „Es ist das Recht jeder Generation, das Übernommene anders als die Väter – stets im Licht der eigenen Geisteshaltung – neu zu erleben.“ Er wusste, dass jede Zeitspanne überzeugt ist, etwas Richtiges zu tun. Er wusste natürlich, dass es „das Richtige“ in der Kunst nicht gibt. Aber er hatte ein untrügliches Gefühl dafür, was Mozarts Musik nur schwer verträgt, zum Beispiel Fortississimo-Sforzandi, gehauchte Pianississimi, rhythmische Dehnungen wie in der Tenorarie einer Operette, in letzten Symphoniesätzen Prestissimi, wie um noch eine Zehntelsekunde früher am Schlussstrich anzukommen.

Die heute als „richtig“ verkündete, zur Weltanschauung gewordene Mode, den Streichern das Vibrato total aus den Fingern zu nehmen, würde er sarkastisch kommentieren. Eines aber weiß ich sicher: Hätte er in seinem posthumen Irgendwo gehört, wie „seine“ Camerata unter R.N. „seine“ A-Dur-Symphonie KV 201 bei der Stunde zu seinem Gedenken aufmarschieren ließ – seine zürnende Stimme wäre bis zum Wiener Saal vorgedrungen. Der Hofrat konnte sehr eindrucksvoll zürnen. Mit Wehmut dachte ich daran, wie diese Musik unter Paumgartner geklungen hatte – schon in den ersten Takten, eingeleitet von dem kennzeichnenden Oktavsprung nach unten, stand er da, dieser Mozart, in seiner ganzen, mit einfachsten Mitteln erschaffenen Größe. But time passes.

Paumgartners Art, Mozart zu musizieren, war geprägt von natürlicher Ausgewogenheit zwischen dramatischer, klingend gezügelter Kraft und poetischer, nicht „romantischer“, sondern „klassischer“ Wärme. Schlanker Klang und schwingend-federnde Rhythmik verliehen der Musik wundersame vitale Geschmeidigkeit. Innerhalb der Sätze ließ er nur geringe Tempomodifikationen zu, sie mussten sich in den Fluss der Musik einfügen. Er schrie geradezu auf, wenn ein Schüler das Trio in einem Menuetto plötzlich auf „Drei“ zu schlagen begann: „Nein! Nein! Das Grundtempo auch im Trio! Es muss den ganzen Satz durchziehen! Nur a bissl ruhiger, so wie die Musik ruhiger wird!“ Sofort wurde er freundlicher: „Fangen S’ den Satz bitte noch amal von vorne an!“

In seiner charakteristischen Dirigiertechnik war Paumgartner ein imposantes Beispiel für die Tatsache, dass es beim Dirigieren mehr auf die Persönlichkeit des Dirigenten und dessen dem Orchester sofort erkennbar werdendes Wissen und Können ankommt als auf das technisch saubere „Schlagen“. Die Mitglieder der Camerata sind darin geübt.

Oft hörten wir ihn von der hilaritas animi sprechen, versonnen und nachdenklich – hilaritas animi, die Heiterkeit des Geistes, diese Ahnung einer Lebensbewältigung, eines Lebensleitbildes. Es mag ein wenig nostalgisch klingen – ich spüre heute noch, wie sehr in diesen Jahren jene geistige Heiterkeit auf kaum definierbare Weise das Leben im Mozarteum prägte.

Lutz Hochstraate (Hg.): Camerata Salzburg. In Search of Excellence. Verlag Pustet, Salzburg, 2012. 160 Seiten, 24 Euro -  www.pustet.at
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet
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