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Seit 27 Jahren drin im „echten“ Leben

BUCHBESPRECHUNG / JAKOB – (M)EIN LEBEN MIT DOWN-SYNDROM

19/04/12 Mit seinem „süßen Gesichtchen und seiner kuscheligen und etwas unbeholfenen Art“ habe er „von Anfang an einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen“ gefunden. So ist es vielen Leuten gegangen, die mit Jakob zu tun hatten, nicht nur seiner älteren Schwester Anne-Sophie.

Von Reinhard Kriechbaum

Jakob hat Down-Syndrom – und doch ist er ein Glückskind. Der jetzt 27jährige ist hineingeboren in eine evangelische Pfarrerfamilie, und dort ist man mit dem Kind, das „anders“ ist, eben nicht „anders“ umgegangen, sondern so „normal“ wie möglich. Das war und ist eine Ausgangssituation, von der andere Menschen mit Behinderung nur träumen können. „Integration“ war damals ein durchaus neues, theoretisches Wort, war für Vater Volker Toth aber die Herausforderung schlechthin. Realistische Einschätzung der Situation einerseits, aber auch ein guter Schuss Optimismus, nein, Mut zu „unmöglichen“, weil utopisch anmutenden Lösungen prägen seither Jakobs Leben. Volker Toth gründete erst einen integrativen Kindergarten. Denn einen „Dodl“ – und sei’s der Sohn des Pfarrers – wollte man im pfarreigenen Kindergarten nicht haben. Als die Zeit für den Schulbesuch reif war, engagierten sich Volker Toth und andere wackere Mitkämpfer für eine integrative Volksschule in der Stadt Salzburg, dann für eine Hauptschule und schließlich für einen polytechnischen Lehrgang. All das mit Montessori-Schwerpunkt und eingebunden in die Diakonie.

Auch die Schritte hinaus aus der behüteten familiären Umgebung geschahen in einschlägigen Wohngemeinschaften und im Schulterschluss mit Einrichtungen, die eben nicht auf „Behütung“, sondern auf aktive Lebensbewältigung hinzielen. All diese Förderung, so Jakobs Mutter in der Rückschau, habe man nicht gemacht, „um ihn soweit wie möglich der Norm anzupassen, sondern weil wir unserem Sohn die Chance geben wollten, sich trotz des überzähligen Chromosoms seinen Möglichkeiten entsprechend zu entwickeln“.

Erhellend und wichtig, was der Vater schreibt über die „Betroffenheit, ein behindertes Kind zu haben“. Denn auch für einen evangelischen Pfarrer zitiert es sich leicht aus Matthäus („Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf“), solange die Situation bloß eine theoretische ist. Vom Schweigen oder zu vielem Reden berichtet Toth, von wohl gemeinten, aber gründlich daneben gegangenen guten Ratschlägen: „Wem Gott eine Last auferlegt, dem gibt er auch die Kraft sie zu tragen“. - der weise Spruch ist damals nicht so gut angekommen…

Viele Wegbegleiter kommen zu Wort in dem Buch, das Problematisches nicht verschweigt und doch so wundersam-vielversprechend Perspektiven vermittelt: So gut also kann Leben trotz Behinderung gelingen. Über die singulär-positiven Rahmenbedingungen darf man, über bis heute in der Gesellschaft bestehende Defizite muss man nachdenken.

Übrigens: Aus Jakob ist nicht nur ein junger Mann geworden, der vieles im Leben selbständig und selbstbewusst meistert. Er ist auch künstlerisch begabt, wovon im Buch viele Zeichnungen und Texte künden. Und sein Hang zur Bühne ist ein eigenes Kapitel, in jeder Hinsicht.

Jakob Toth, Tobias Buchner, Volker Toth: Jakob – (m)ein Leben mit Down-Syndrom. Edition Tandem, Salzburg 2012. 136 Seiten, 22 Euro - www.edition-tandem.at
Zur Leseprobe {ln:Jakob, Romeo und Julia}

 

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