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... ein neues Mal zu leben

BUCHBESPRECHUNG / FRIEDRICH KRÖHNKE / NACH ASMARA!

22/12/11 Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück. Das ist bekannt. Hat nun tatsächlich jemand den Ort gefunden, wo es sich versteckt dieses ominöse Glück? Sollte der Entdecker Frick und der sagenumwobene Ort Asmara heißen?

Von Heidemarie Klabacher

Frick läuft durch eine sinnlose, aber schöne Welt und schaut sich Plätze und Kunstwerke an, die schon etwas älter sind und über die deshalb ein Konsens besteht, es sei gut, sie anzuschauen.

So einfach ist es aber nicht mit Frick, der rastlos von einem Ort zum andern fliegt mit meist dubiosen Airlines. Es geht ihm nicht um Sehenswürdigkeiten. Er reist nicht mit dem Baedecker in der Hand, sondern liest Lonely Planet-Führer.

Wir haben recherchiert. Für Februar 2012 empfiehlt Lonely Planet, nach Chile zu reisen oder in Australien entlang der Great Ocean Road „vorbei an Naturparks und Surfstränden, überwältigende Landschaften, eine grandiose Tierwelt und endlose Weiten“ zu entdecken oder in Vietnam in der Halong Bay anzulegen: „Heute gibt es hier bereits alle Annehmlichkeiten für Reisende, aber der Massentourismus steckt noch in Kinderschuhen.“ Aber das sagt NICHT Frick, das steht so auf der Website von Lonely Planet.

Mit diesem eigentümlichen Namen verbindet sich eine der wunderlichsten Erfindung seit der des Rades und des Biers. Die Erfindung einer fortgeschrittenen späten Menschheit in ihrer letzten Epoche, in der es noch etwas zu entdecken gibt - was Lonely Planet zugleich ermöglicht und vereitelt.

Frick verachtet sie, die Reisenden - „es ist immer ein Pärchen von Studentin und Student“ - die den Lonely Planet, den Loose oder das Reise-Know-How in der Hand tragen, als sei es vorgeschrieben: „Als sei es nicht erlaubt, ohne dieses Buch die Straße entlangzugehen.“ So nimmt „Nach Asmara!“ das Reiseverhalten von Alternativreisenden auf’s Korn. Aber auch darum geht es nicht.

Es geht um Frick und Frick reist. Im ersten Teil des Buches hat man das Gefühl, ihm in heißen Gegenden ständig auf staubigen „pitoresken“ Straßen hinterherzuecheln. Frick selber hilft einem später, es auf Punkt zu bringen, das Gefühl, in ein Bild von de Chirico geraten zu sein. Der Kavier auf dem Bessarabischen Markt in Kiew. Der Jademarkt in Honkonf. Die Windhundrennen in Macoa. Die Stadt Valetta. … Es war gut so, dass man da eine Art Arabisch redete, dessen Allah katholisch war. Solche Bemerkungen lernt man am besten auswendig.

Fürsorglich informiert der Autor seine Leser zwischendurch über roman-technische Dinge wie Erzählperspektive oder Erzählzeit: „Wer blickt hier auf Frick?“, fragt er und erklärt, wer Agnes ist: Sie ist klein, von der Größe einer Mango, ein wuscheliger Gnufl wirr verfilzten Haars, ein Gespenstermädchen. Ist schweigsam, verlässlich. Sie ist rothaarig. Sie ist altmodisch.

Maskotte Agnes ist immer dabei. Eine Erinnerung an eine - möglicherweise verstorbene? - Gefährtin. Jedenfalls war sie nicht „Lehrerin im Rheinland“, denn diese hat es nie gegeben. Die hat Frick erfunden, als er mit Herrn Burmeister im Krankenhaus lag und auch gerne so ein bürgerlich Sesshafter und bürgerlicher Reisender gewesen wäre - mit wohl kalkulierter Sehnsucht nach einer Schwedenreise im Wohnmobil… Da hat Frick so getan - er mochte Burmeister, der vor ihm operiert wurde und viel mehr Glück dabei hatte - als sehne er sich auch nach der Ferne, nach der Welt. Dann einmal wenn der Stress nachlässt. Hat so getan als wäre er nicht wie der ewige Jude seit Zeit und Ewigkeit unterwegs…

Zuletzt also nach Asmara. Es gibt sie, die Hauptstadt von Eritrea. Keine Frage. Auch haben sie dort in Ostafrika bei der Stadtplanung exakt die Beschreibungen von Friedrich Kröhnke vorweg empfunden: Art Deco. Bauhaus. FIAT-Tagliero-Tankstelle. Architekturdenkmäler aus der Italienischen Zeit der Kolonie Eritrea. Marienkathedrale. Kathedrale der Kopten. Expressionismus. Neoklassizismus. Cafés und Kinopaläste der 1930er und 1940er Jahre. Futurismus. … Vielleicht sollte man im Neuen Jahr doch lieber Eritrea bereisen, statt Chile, Australien oder Vietnam, und die Passeggiata und die Harnet Avenue in Asmara entlaggehen, mit „Nach Asmara!“ in der Hand, als sei es vorgeschrieben…

Friedrich Kröhnke: Nach Asmara! Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2011. 150 Seiten, 18 Euro.

 

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