Wunsch im doppelten Konjunktiv
BUCHBESPRECHUNG / THERESIA OBLASSER / BIN NIT VA DO BI VA WEIT HEA
09/12/11 „Schmettaleng tonzn. Untan dickn Eis gluggötzt s Wassa“ - so beginnt Theresia Oblassers Gedicht „Weihnachten“. Unerwartet - wie vieles im Gedichtband „bi nit va do bi va weit hea“, der im Verlag Anton Pustet erschienen ist.
Von Heidemarie Klabacher
„Waötlaon“. Da stockt man denn doch beim Lesen. w. a. ö. t. l. a. o. n. Es ist nicht immer leicht, Mundartgedichte zu lesen. Also laut buchstabieren. Und dann staunt man doch, wenn man drauf kommt. Man hat mit dem Wort in einem Band mit Mundart-Gedichten einfach nicht gerechnet: „Weltladen“!
A echt guada Bonnakaffee
aus n Waötlaon
a suppa Kaffee, gonz schö toia.
I leist ma den Luxus
i ku man leistn.
„Amoi“, sei sie „doscht gweain wo a woxt“, der Kaffee, und habe ihnen zugeschaut, den Kindern, den Frauen, den alten Männern „ban Kaffebrokkn“ und den ganz alten Frauen „ban Ausklaum“. Und den starken jungen Männern, wie sie schwitzen beim Säcke Verladen bei vierzig Grad. Die Qualität geht nach Europa, sagt der Boss, im Land bleibt das Mindere.
Ma ku si koan luxus leistn, doscht
wo a woxt, meii Kaffee
„bi nit va do bi va weit hea“ ist der Titel des Gedichtbandes von Theresia Oblasser, der im Verlag Anton Pustet erschienen ist. Die gebürtige Bergbauerntochter, Bäuerin und Autorin ist 2008 mit dem Radio Salzburg Mundartpreis „Quergredt“ und 2011 mit dem Walter-Kraus-Preis für Mundartschaffen ausgezeichnet worden. „Schreiben anzufangen, das hieß für mich, endlich aufbrechen und die Sprachlosigkeit überwinden.“ So die Mundartdichterin Theresia Oblasser, Jahrgang 1941, die mit 43 Jahren zu schreiben begonnen hat.
„nit v do“ also „nicht von hier“ sei Theresia Oblasser insofern, als sie „Lebensmuster nicht als unumstößlich ansieht, sondern auf ihren Sinn, ihre Eignung, ihren Schutz hinterfragt“, heißt es im Nachwort von Gertraud Steiner. „Ihr prüfender Blick auf Herren und Knechte, Bevorrechtete und Benachteiligte ist genau, weil er kritische Distanz nimmt, ohne die teilnehmende Nähe aufzugeben.“
Exemplarisch dafür ist das Gedicht „Mei Kaffee“ aus dem fünften Teil des Bandes „Reabeidlroa! Außa mied da Schpraoch“. Aber auch den Texten aus heimatlicheren Gefilden eignet eine Distanz, die sich aus einer ebenso knappen wie anschaulichen Sprache entwickelt:
Üwa dös weidö Scheeifaöd
geaih i da naoch
bis sie deii Schpua im Haoscht
valiast.
Eines der schönsten, sehnsuchtsvollsten Gedichte trägt den geheimnisvollen Titel „Meeöradi“. Da hilft auch der Untertitel (im Wortsinn - manche Titel erscheinen „zweisprachig“) nichts: „Meerrettich“. Vielleicht akustisch zu lösen: Meer rette dich? Oder mit Konjunktiv: Meer rettete dich? Wer weiß. Eine Sehnsucht spricht jedenfalls aus diesem Gedicht, die berührt:
A Haus neaim da Aochn
windsch i maoft.
Sizad dao
losad da zua
leanad die Schpraoch.
Angeschwemmte Ufersteine würde sie wegtreten, dafür ihr Herz an ein Stück Holz binden. Hätte sie „a Haus neaim da Aochn“ würde sie aufs Kochen vergessen, dafür ein Schiff bauen, ans Meer denken. Aber die "Aochan" ist kein Strom, trägt kein Schiff, ist wild, fällt steil ab, Felsbrocken liegen im Bett. Also bliebe sie doch nur an der Ache sitzen, würde ihr zuhören und ihre Sprache lernen, „long eichö ad Naocht“.