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Über die Pinzgauer Indianer

BUCHBESPRECHUNG / PINZGAUER TRESTERER

06/01/20 Die Tresterer und ihre Tänze: Das war über Jahre vermintes Gebiet. Als im Pinzgau der Wunsch aufkam, es mit diesem so eigenwilligen wie einprägsamen Brauch auf die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts zu bringen, brach ein höchst emotional geführter Disput zwischen wissenschaftlicher Volkskunde und den Brauchträgern selbst aus.

Von Reinhard Kriechbaum

Der eigentlich wenig spektakuläre Anlass: Die Trester im Pinzgau hatten – unwissentlich und gewiss ohne ideologische Hintergedanken – die eine oder andere Erklärung über die Ursprünge ihres Tanz-Brauchs veröffentlicht, die in der Zeit des Nationalsozialismus aufgekommen war. Von den Nazis wurde die Volkskunde als Wissenschaft politisch arg instrumentalisiert. Eben das hatte die damalige Leiterin des Landesinstituts für Volkskunde in einem Gutachten thematisiert. Bei den Tresterern kam das logischerweise denkbar schlecht an. Auch die abgesicherte Erkenntnis, dass die Tresterkostüme von Faschingsumzügen in Oberitalien und in Tirol beeinflusst sind, ist vor Ort mit erheblichem Missmut aufgenommen worden: Der Brauch ist im Pinzgau seit über zweihundert Jahren in der „Perchtennacht“ (5./6. Jänner) beheimatet.

Die Querelen haben die Pinzgauer Tresterer den Eintrag ihres Brauchs auf die UNESCO-Liste gekostet. Dort ist jetzt der Trestertanz des Stadt(!)-Salzburger Vereins Alpinia gelistet. Unterdessen haben sich die Gemüter im Pinzgau aber deutlich abgekühlt. Wissenschaftliche Arbeiten und Symposien seitens der Fach-Volkskunde haben Veröffentlichungen und Ausstellungen (etwa im Monatsschlössl, aber auch in Wien) bewirkt. Und die Pinzgauer Tresterer haben ihrerseits eifrig Material zusammengetragen. Kein Salzburger Brauch ist unterdessen ähnlich vielschichtig erforscht.

Im Tauriska Verlag ist ein optisch prachtvoll ausgestattetes Buch erschienen, in dem Konklusio gezogen wird. Unverdächtige Wissenschaftler, die nicht verwickelt waren in die Querelen, haben das Material nochmal gesichtet und eigenes Fachwissen eingebracht. Etwa die Volkskundlerin vom Salzburg Museum, Ernsestine Hutter, oder der an der Universität Salzburg tätige Tanz-Fachmann Michael Malkiewicz. Vor allem ist der Brauch selbst, sind die in Erscheinung tretenden Perchtenfiguren nun wirklich detailliert beschrieben. Zwischen Stuhlfelden, Zell am See, Bruck an der Glocknerstraße, Saalfelden und Unken gibt es in Kostümierung, Musik, Tanzabläufen zwar viel Gemeinsames, aber eben auch Unterschiede. Vor allem die Unkener Tresterer, die sogar eine Sonderform als Bandltanz auf Stelzen pflegen, sind rechte Eigenbrötler.

Im Gegensatz zum jahrelangen Blindflug, zu dem die ungeliebten Fach-Volkskundler durch Nicht-Kooperation der Brauchträger selbst verurteilt waren, haben die Tresterer nun selbst aktiv mitgewirkt und viel Wissen rausgerückt. Wäre solche Vernunft auf beiden Seiten einige Jahre früher eingekehrt, hätte man sich viel gegenseitigen Ärger erspart. Auch insofern ist das neue Buch wichtig. Wer seit Jahrzehnten gewisse Rituale mit Herzblut und in bester Meinung ausführt, fragt selten nach den Wurzeln. Es gibt in Brauch-Angelegenheiten (nicht nur bei den Tresterern) nicht selten „alternative Fakten“ zu wissenschaftlichen Ergebnissen. Insofern ist auch ein kulturwissenschaftlicher Beitrag über das Selbstbild der Tresterer vom Marburger Ethnologen Manfred Seifert höchst aufschlussreich.

Als „Indianer aus dem Pinzgau“ wurden die Tresterer ob ihres Kopfschmucks aus weißen Hahnenfedern schon im 19. Jahrhundert von Heimatkundlern bezeichnet, die gewiss nie echte Indianer zu Gesicht bekommen haben. Interessant allemal: Der Brauch ist nicht einer, der fern urbaner Gebiete in der Abgeschiedenheit von Gebirgs-Talschaften entstanden ist. Die prächtigen Brokat-Stoffe für die Kostüme hat man wohl den „Venedigermandln“, also den Saumhändlern aus Oberitalien, abgekauft. Als die Protestanten des Landes verwiesen wurden, kamen – traditionell gut katholische – Tiroler ins Land, und diese brachten (ihrerseits von Oberitalien beeinflusste) Faschingsbräuche ins Land. Ein Aspekt (der in dem Buch zu kurz kommt) sind die Faschings-Impulse, die Erzbischof Markus Sittikus für kurze Zeit in Salzburg setzte. Diese wurden vom Volk nicht nur bestaunt, sondern auch nachgeahmt. Weil aber in einem Land, in dem Fasnachtsbräuche eher unbekannt waren, diese Schaubräuche bald nicht mehr verstanden wurden, sind sie dorthin gewandert, wo man sich immer schon verkleidet hat: in die Perchtennacht...

Schönperchten – Pinzgauer Tresterer. Dokumentation eines Brauches in Geschichte und Gegenwart. Mit Beiträgen von Ernestine Hutter, Michael Malkiewicz, Günter Mayrhofer, Lukas H. Schmiderer, Manfred Seifert, Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter. Tauriska Verlag, Neukirchen am Großvenediger 2020. 308 Seiten. 45 Euro – www.tauriska.at

 

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