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Liebesdinge und Sterbesachen

WALTER MÜLLER / WAHRE GESCHENKE

24/12/09 Gleich dreißig Seiten besinnliche Weihnachtsgeschichten, und das heute! Der scheinbare Biedermeier wird von Walter Müller aber gut durchgeknetet - und es werden "Wahre Geschenke" für uns und heute.

Von Reinhard Kriechbaum

... dass sich "junge Leute die Herbersgsuche sparen können, wenn sie rechtzeitig einen Bausparvertrag abschließen": Das ist einem aus der Werbebranche eingefallen. Und in einer Zeitungs-Schlagzeile hieß es einmal: "Ein Handymasten auf Herbergssuche." - Das sind Dinge, die Walter Müller, diesem genauen Beobachter des scheinbar so Selbstverständlichen, Alltäglichen, auffallen. Auch, wenn er liest, dass irgendwo in einem Wiener Hotel in der Heiligen Nacht Paare mit dem Namen Josef und Maria gratis übernachten dürfen, weil "die Weihnachtsgeschichte muss doch nicht jedes Jahr im Stall enden, sagt schmunzelnd der einfallsreiche Direktor des Vier-Sterne-Hotels".

Unseren oft gedankenlosen Aussagen stellt Walter Müller dann gerne "originale" Gedanken, in dem Fall natürlich jene der biblischen Weihnachtshistorie gegenüber. Und er überlegt, was sie uns heute noch - oder gerade heute - sagen können oder sagen müssen. Und dann zieht der Autor nicht selten einen Bogen zu eigenen Erfahrungen. Im Fall dieser Geschichte zum Beispiel zum Treichl-Hospiz, für das er selbst sich unermüdlich einsetzt und wo er mit Menschen konfrontiert ist, die tatsächlich für ihr Lebensabend einer "Herberge" bedürfen. Da tut's ein Bausparvertrag nicht mehr.

Auf den ersten Blick: Herrlich "altmodische" Weihnachtsgeschichten oder gar Gedichte, in denen sich "Advent" auf "Nachtfirmament" und gar "Kerze brennt" reimt. Auf den zweiten Blick: ein Schriftsteller, der ganz genau dort einhakt, wo das Gereimte ins Ungereimte kippt, wo abgegriffene Metaphern in Wort und (schrägem) Sprachbild sich längst abgehoben haben von unserer Wirklichkeit. Diese holt Walter Müller dann herein, und da kippen die Geschichten urplötzlich heraus aus dem scheinbaren Biedermeier in eine gar nicht so heile Welt.

Weihnachten ist natürlich nicht alles, das sind nur die ersten dreißig von 175 Seiten. Walter Müller führt durchs ganze Menschenleben. Leise Ironie, deutliche Melancholie manchmal - und viel eigene Erfahrung eben. Liebesdinge und Sterbesachen. Was vielleicht wenige wissen: Walter Müller ist auch professioneller Begräbnisredner, und über manchen, der sich zu Lebzeiten keinen Nachruf-Formulierer verdient hat, weiß Müller an entscheidender Stelle Trostvolles zu sagen - und erstaunlich Verbindliches. Aus diesem Themenkreis kommt ein ganzes Bündel von Geschichten, in denen sich oft Menschen wiederfinden, die man sogar gekannt hat - vielleicht, ja: wahrscheinlich zu flüchtig.

Sogar ein Grabkreuz mit der Aufschrift "Unbek. männl. Leiche" inspiriert ihn zu sehr konkreten Gedanken. Und bei den Betrachtungen "Letzter Dinge" fehlt auch nicht ein Nachruf auf die gute alte Postkarte.

Walter Müller: Wahre Geschenke. Geschichten, Gedichte, Gedanken, heiter und besinnlich, kreuz und quer durchs Jahr. Wolfgang Pfeifenberger Verlag, Tamsweg 2009. 175 Seiten.

 

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