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Immer alles schön?

RAURISER LITERATURTAGE / BUCHBESPRECHUNG / WEBER

05/04/18 In ihrem Debütroman erzählt Julia Weber nicht nur von zwei Kindern, die zu früh Verantwortung übernehmen müssen, sondern zeichnet auch das Bild einer einzigartigen Geschwisterliebe. „Immer ist alles schön“ handelt von geplatzen Träumen, unerfüllten Sehnsüchten und dem Wunsch nach Geborgenheit.

VON VERENA RESCH

Die Mutter fährt mit Anais und Bruno in den lange ersehnten Urlaub. Anais wünscht sich einen Urlaub „mit Feuer und Ferne“, es reicht aber nur für eine Busfahrt bis zur Endstation. An einem See mieten sie bei einem dicken Mann mit Doppelkinn einen Wohnwagen. Bruno hingegen wünscht sich einen Urlaub ohne Alkohol - ein Wunsch, den die Mutter aber nicht erfüllen kann, schließlich könne sie nicht den Kindern etwas gönnen und sich selbst nichts. Zur Grundkonstellation ist damit schon das Wichtigste gesagt: In „Immer ist alles schön“ stehen zwei Geschwister im Mittelpunkt, die sich um ihre alleinerziehende Mutter kümmern, die von Leben überfordert scheint und diesen Zustand mit Alkohol, Zigaretten und wechselnden Männerbeziehungen zu bewältigen versucht.

Die Heldin des Romans ist Anais, die sich um ihren jüngeren Bruder kümmert, der ebenso wie sie schon früh Verantwortung übernehmen muss und in seiner Ernsthaftigkeit auf erdrückende Weise nicht mehr kindlich, sondern wie ein kleiner Erwachsener wirkt.
„Manchmal denke ich, dass Mutter zu groß, zu blond und zu lebendig ist, dann tut es mir leid. Manchmal wünsche ich mir eine Mutter mit mattem Haar, zerknitterter Schürze, sanften, müden Augen.“ – Obwohl sich auch Anais und Bruno nach einer Familie sehnen, wie sie der gängigen Vorstellung entspricht, versuchen sie mit allen Mitteln, ihre Gegenwelt vor dem Eindringen der realen Außenwelt zu schützen. Etwa dann, wenn am Morgen ein fremder Mann in der Küche steht oder die Familie Besuch vom Jugendamt bekommt, nachdem die Kinder wieder einmal in der Schule gefehlt haben.

Der Großteil des Romans wird aus der kindlichen Perspektive von Anais erzählt, dazwischen aber auch aus der Sicht ihrer Mutter Maria. Hier erfährt der Leser mehr über deren komplizierten Beziehung zur eigenen Mutter und die fehlenden Kindsväter, wodurch für den Leser manch wichtige Wissenslücken geschlossen wird. Während der kindlichen Perspektive trotz allem noch die Fähigkeit zur Fantasie (oder vielleicht besser: ein gewisser kindlicher Optimismus) innewohnt, ist die Perspektive Marias geprägt von enttäuschten Hoffnungen und geplatzten Träumen.

Immer wieder beruhigt die Mutter ihre Kinder - und wohl auch sich selbst -, dass alles gut sei. Oft wird der Titel zitiert, aber immer in Situationen, die eigentlich alles andere als gut sind. Doch das Besondere an diesem Roman ist, dass die Traurigkeit zwar die gesamte Handlung durchzieht, aber nie direkt angesprochen wird, sondern stets zwischen den Zeilen durchschimmert.

Am Ende kommt es schließlich zur Katastrophe, die von Beginn an drohend über der Kleinfamilie schwebt: Die Mutter, die in einer immer tieferen Müdigkeit versinkt, verlässt die Kinder und hinterlässt lediglich eine Karte. Anais und Bruno ziehen sich daraufhin endgültig in ihre Fantasiewelt zurück und holen sich in einer irrwitzigen Aktion die Welt von draußen in die kleine Wohnung: Die Küche wird zur Wüste, die Badewanne zum Ozean, die Schlafzimmer zu Wald und Gebirge.

Julia Weber zieht ihre Leser mit ihrer ganz eigenen Sprache in den Bann und in eine Welt hinein, die zugleich  bestürzt und fasziniert. Die Lektüre des Romans lässt sich wohl am ehesten mit einem Sog vergleichen, der immer stärker fesselt und erst mit dem letzten Satz wieder loslässt.

Julia Weber: Immer ist alles schön. Roman. Limmat, Zürich 2017. 256 Seiten, 24 Euro. - www.limmatverlag.ch
Julia Weber liest heute (5.4.) um 17 Uhr im Rahmen der Rauriser Literaturtage auf der Heimalm aus ihrem Roman - zusammen mit Karin Peschka und Benjamin Lebert – www.rauriser-literaturtage.at

 

 

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