Ein Experiment zwischen Himmel und Erde
LAWINE TORREN / SCHAFBERG 2011
19/06/13 Donnergrollen und Blitzgelichter: an Dramatik mangelt es nicht, als sich eine Schar neugieriger Journalistinnen und Journalisten mit der alten Zahradbahn auf den Berg hinaufbewegt, um dort ein theatrales Dramenevent zu erleben: Hubert Lepka lädt zwei Wochen lang ein zu „Schafberg 1911“, einer spannenden Geschichte auf historischen Tatsachen, die allerdings ihre Tücken hatte.
Von Christiane Keckeis
Vor dem Hintergrund des nahenden Weltkriegs wagen zwei Männer aus dem Salzkammergut ein unglaubliches Abenteuer: Berthold Hödlmoser, Lokomotivführer, und Carl Cranz, Träumer und Erfinder einer dampf-ballistischen Flugkapsel haben einen Flug in Richtung Mond vor. Als Rampe dafür soll der Schafberg dienen, es wird geplant, diskutiert, intrigiert, Gefühle kommen ins Spiel, Liebe, Eifersucht, Kränkung, Narzissmus, bis schließlich der Versuch – scheitert.
Dass viel dramatisches Potential in der Geschichte steckt, hat das Produktionsteam rund um Hubert Lepka mit sicherem Blick erkannt. Allein die Umsetzung…
Teil eins erleben wir im Restaurant an der Schafbergspitze, nach ausgiebiger Bewunderung des Schauspiels, das die Natur zwischen Sonnen, Wolken und Regenbogen rund um die Idee „Schafberg 1911“ zu inszenieren scheint.
Es ist nicht leicht, in dem mit modernst ausgestatteten Besuchern vollbesetzten Schafberg-Restaurant die Stimmung des beginnenden 20. Jahrhunderts aufkommen zu lassen, zumal außer der urtümlichen Atmosphäre des historischen Raumes nichts dazu beiträgt, auch nur ein wenig Intimität zu suggerieren. Kein Licht, das begrenzt oder fokussiert, so dass alles von der Qualität der Schauspieler abhängt – und die ist durchaus unterschiedlich: entsprechend auch die Wirkung. Kommt dazu, dass auch die Dialoge für den Zuschauer oft wenig Verbindliches vermitteln, auch hier sind die Darstellenden sehr gefordert und so mancher Text klingt dann recht hölzern und künstlich.
Drei vielsagende Punkte scheinen ein Lieblingsstilmittel von Joey Wimplinger, dem Textautor, zu sein. Im ersten Teil hängt szenenweise jeder zweite bis dritte Satz unvollendet in der Luft. Was pointiert eingesetzt durchaus reizvoll sein kann, ist im Übermaß, zumal nicht wirklich psychologisch begründbar, eher nervig und hindert Verständnis und den Willen zum Zuhören. Dem Autor wäre ein Kurs in angewandter Dramaturgie durchaus zu empfehlen. Dennoch gelingen immer wieder starke Momente, die fesseln und neugierig machen auf die Geschichte, die erzählt werden soll. Das ist der Präsenz jener Schauspielerinnen und Schauspieler zu verdanken, denen es trotz der Nähe des Publikums gelingt, intensiv in ihren Rollen zu bleiben. Besonders zu erwähnen sind Christiane Warnecke als Hedwig Altstaedter, Max Pfnür als Carl Crantz und Artur Spannagel als Berthold Hödlmoser.
So baut sich trotz der eher schwierigen Umstände Spannung und auch Stimmung auf, man kommt nach Startschwierigkeiten schon hinein in die Geschichte.
Teil zwei erleben die Zuschauer dann direkt am Ort des Geschehens, an der Schafbergkante. Waghalsig, todesmutig und Staunen machend zeigen die Darstellenden Körpereinsatz in gefährlicher Nähe zum Abgrund, sehr engagiert für ein sensationswilliges Publikum. Das hat ein wenig von der Stimmung im Zirkus, wenn unter dem Trapez kein Fangnetz die Artistin sichert. Ob's das braucht? Freilichtaufführungen haben eben ihre eigenen Gesetze, da kann die Technik noch so bemüht sein. Diesmal war es der Wind, der in die Headsets pfiff und das Verstehen zum Teil mühsam machte. Die Geschichte verlor sich ein wenig und ließ beim Publikum denn eine gewisse leicht müde Ratlosigkeit zurück.
Ach ja, Schuberts „Tod und und das Mädchen“ sollte mögen, wer sich hinaufbegibt in die Höhen der Schafberg- Kunst: das Schubert-Quartett wird hemmungslos als Lückenfüller zerstückelt und verbraten. Macht aber Stimmung, keine Frage.
Überhaupt: letztlich ist es die Stimmung, die rundum gelungen ist, und die das Schafbergevent dann auch wirklich zum Erfolg macht: die Stärke der Natur und eine Geschichte, die durch diese Natur inspiriert ist, das passt gut zusammen. Die „Kulisse“ rundherum fasziniert unweigerlich – so gerät „Schafberg 1911“ zu einem lohnenswerten Ausflug für all jene, die nicht große Dramenkunst, sondern ein Experiment zwischen Himmel, Erde, Künstlichkeit und Natur erwartet.