Eremiten hoch über dem Wolfgangsee waren nicht arm
ARCHÄOLOGIE / ST. GILGEN / FALKENSTEIN
18/07/12 Dank modernster archäologischer Methoden wissen wir immer mehr vom Leben der ehemaligen Einsiedler und dem Pilgeralltag auf dem Falkenstein. Zu Spitzenzeiten passierten jährlich bis zu 300.000 Pilger den steilen Waldfelsen auf dem Weg von St. Gilgen nach St. Wolfgang.
"Die Forschungsergebnisse vom Falkenstein bereichern die Salzburger Landesgeschichte um eine längst vergessene aber bedeutende Facette des christlichen Alltagslebens, das am Wolfgangsee schon im Spätmittelalter den 'Tourismus' begründet hat", erläuterte Grabungsleiter Prof. Wolfgang Neubauer von der Universität Wien heute Mittwoch (18.7.) bei einem Pressegespräch. Neubauer ist auch Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie.
Durch Bodenradarmessungen entdeckte ein Team dieses Instituts die Fundamente einer Klause auf der Lichtung unterhalb der Wallfahrtskirche auf dem Falkenstein, in der einst je zwei Eremiten lebten. Das Archäologenteam gräbt derzeit am Falkenstein auf den Spuren des Heiligen Wolfgang nach den Überresten der Klause, deren Hausrat, Speiseresten, Münzen und Devotionalien. "Die archäologischen Funde lassen das tägliche Leben der Eremiten und Pilger wieder lebendig werden. Unter der Klause wurde ein bisher unbekannter Kellerraum entdeckt, in dem ein hölzernes Rohr bis heute Wasser führt, das aus der ursprünglich legendenhaft dem Bischof Wolfgang zugeschriebenen Quelle stammt. Dieses heilige Wasser wurde über Jahrhunderte von den Pilgern verehrt und begehrt. Mit modernster Lasertechnik wurden die ausgegrabenen Fundamente dokumentiert und in der virtuellen Welt sichtbar gemacht", erklärt Neubauer.
Nachdem sich das Christentum in der Gegend gefestigt hatte, insbesondere durch das Auftreten und Wirken des Heiligen Wolfgang von Regensburg, erfuhr der Falkenstein in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts seine Umwandlung in eine christliche Pilgerstätte. Die Wolfgang-Heiligtümer auf dem Falkenstein waren dann insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert tief im religiösen Bewusstsein der Menschen verankert. Um die Pilgermassen zu betreuen, wurde eine Klause eingerichtet, in der ein oder zwei Laienbrüder wohnten. Diese einfache Holzhütte, von der man aus Abbildungen und anderen Quellen bereits wusste, deren Ort aber unbekannt war, diente mehr als 150 Jahre lang als einfache Behausung und Ort der inneren Einkehr. Sie wurde von insgesamt zwölf Einsiedlern bewohnt: Der erste kam 1659, der letzte verstarb dort 1812.
Nachdem alle schriftlichen und bildlichen Quellen zum Falkenstein gesammelt und von Historikern ausgewertet wurden, begannen 2011 Archäologen der Universität Wien, finanziell unterstützt durch das Heimatkundliche Museum St. Gilgen, die Universität Wien, die Gemeinde St. Gilgen sowie durch zahlreiche private Förderer, eine archäologische Ausgrabung mit modernster Technik. Einem Röntgenbild vergleichbar wurden die verschütteten Fundamente auf dem Computer sichtbar. So hat man die seit langem verfallene Klause wiederentdeckt.
"Das Ziel des kurz vor dem Abschluss stehenden Grabungsprojektes ist es, die Lebensumstände der Einsiedler und Pilger zu ergründen, indem die Überreste der Klause wieder freigelegt wurden, um mehr Licht auf die historischen Hintergründe der Legenden um das Wirken des Heiligen Wolfgang zu werfen, der im 10. Jahrhundert lebte", sagt Augustin Kloiber, Direktor des Heimatkundlichen Museums St. Gilgen.
Einer der Gewölbekeller diente als Vorratskeller für Fleischstücke, Schmalz und andere Lebensmittel. Im zweiten Kellerraum einst begehbar über eine Wendeltreppe, mündete eine hölzerne Leitung, aus der für heilkräftig gehaltenes Wasser in die so genannten „Wolfgangiflascherl“ für die Pilger abgefüllt wurde. Gespeist wird die Leitung wohl aus der ursprünglichen Quelle am Falkenstein, die der Legende nach vom Heiligen Wolfgang mit seinem Stab für seinen dürstenden Mitbruder aus dem Felsen geschlagen wurde.
Die archäologischen Ausgrabungen belegen, so Neubauer, dass das Leben der Einsiedler auf dem Falkenstein wesentlich farbenfroher gewesen sein dürfte, als ursprünglich angenommen. Überraschend waren für die Archäologen die ungemeine Bandbreite, Qualität und Üppigkeit an Hausrat und persönlichen Gegenständen der Einsiedler. Keine Spur von Armut, die ihnen die Legende so gerne andichtet! Im Bereich der Klause wurden mehr als 100 Münzen der Habsburger, aus dem Erzbistum Salzburg, Tirol, Bayern und aus verschiedenen süddeutschen Städten gefunden. Die Münzen sind zum Großteil aus Silber, die ältesten stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert und belegen die Herkunft und Spendenfreudigkeit Hunderttausender Pilger, die jährlich über den Falkenstein zogen.
Neben diversem Hausrat der Einsiedler fanden die Archäologen auch verschiedene persönliche Gegenstände der Eremiten wie Tabakpfeifen und Feuersteine der Feuerzeuge, eine Maultrommel und eine Knochenflöte, Knöpfe und Gürtelschnallen. Eine Besonderheit ist eine Taschensonnenuhr von 1682, Besitz des Fraters Wilhelm Buchberger (gestorben 1684). Devotionalien wurden nicht nur von Pilgern verloren, sondern auch an Ort und Stelle hergestellt und gegen Spenden ausgegeben. Davon zeugen verschiedene Perlen von Rosenkränzen, Gussformen für Kugeln und Drähte und sechs so genannte Wolfgangihackerl, Miniaturen der Axt, die in späterer Zeit zum Attribut des Heiligen Wolfgang wurde und von den Pilgern besonders begehrt war. (Landeskorrespondenz)