Wellen, Ebbe - Wasser eben!
DIABELLI-SOMMER / STADLER QUARTETT
20/07/12 Spontane Begeisterung, ja lautstarke Bravi zählen heutzutage nicht zum Normalfall nach einer Uraufführung. Dank dem Stadler Quartett im Einsatz für Shane Woodbornes Erstem Streichquartett wurde dies am Donnerstag (19. 7.) in der Stiftskirche Mattsee Wirklichkeit.
Von Horst Reischenböck
Im Abstand von jeweils zwei Jahren wurden schon in der Vergangenheit zwei Kompositionen von Shane Woodborne im Rahmen des Diabelli-Sommers aus der Taufe gehoben: ein Konzert für Violine und Violoncello (das Woodborne als Mitglied der Camerata Salzburg spielt), sowie ein Violinkonzert. Nun hat sich der gebürtige Südafrikaners zum ersten Mal der Königsgattung der Kammermusik zugewandt und sein erstes Werk in dieser Besetzung dem Stadler Quartett gewidmet, das sich gerade mit zeitgenössischer Musik längst Rang und Namen zu verschaffen wusste.
In den vier Sätzen geht es, angeregt durch ein Gedicht von Walt Whitman, um Wellen, Ebbe, eben Wasser, aber auch Erinnerung an Woodbornes Heimat. Auch das Andenken an den im Vorjahr verstorbenen Mozarteum-Professor Jürgen Geise, einst als Bratscher Mitglied des Österreichischen Streichquartetts, ist eingeschrieben. Dessen Instrument steht schon im Kopfsatz mehrfach im Blickpunkt und, noch dominierender, im dritten Satz, in dem sich Woodborne auch nicht scheut, süffig in fast schmalzige Lyrismen abzutauchen. Gelegentlich werden auch Erinnerungen an Leoš Janá?ek wachgerufen. Ein bewusst tonal gehaltenes Werk also, spontan „verständlich“ ohne sich deswegen anzubiedern. Es handelt sich einfach um gute Musik, die zu dieser Gelegenheit in Anwesenheit des Komponisten vom Ensemble authentisch ausgekostet wurde.
Frank Stadler, Izso Bajusz, Predrag Katanic und Peter Sigl haben an dem Abend auch sonst ihre Kompetenz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dem zweiten von Haydns nach dem gräflichen Widmungsträger benannten „Appponyi-Quartette“ in D-Dur, Hob. III:70 und seinen mitunter orchestral anmutenden Klangfarben kam auch die dazu prädestinierte Akustik des Sakralraums zugute. Floss schon hier im Adagio cantabile die schlichte Melodie förmlich dahin, so genauso nach der Pause Ludwig van Beethovens Dankgesang im Zentrum seines ausgedehnten, eigentlich bereits in Bogenform konzipierten vorletzten Quartett in a-Moll op. 132. Interessant auch der Vergleich der Tanzsätze: Haydns Menuett wirkte in Scherzo-Nähe gerückt, während Beethovens Allegro ma non tanto weit eher zum Tanz einzuladen dünkte. All das wurde nicht bloß virtuos gespielt, sondern ausnahmslos und keine Wünsche offen lassend in alle dynamischen Schattierungen hinein ausgehorcht. Besonders eindrucksvoll zum Schluss dann noch die bewusst fahl zurück genommenen Momente im Finale.