Was das Dorf preisgibt
LEOGANG / THEATER / ORTSZEIT
13/07/12 Was wäre Leogang im Sommer ohne das Theater von „ortszeit“ und seine rührige Impresaria Ursula Reisenberger! Geeichte Besucher wissen nicht nur um die besonderen Schauplätze, die man sich für die Projekte aussucht, sondern auch um den wetterbedingten Nervenkitzel.
Es ist nicht so, dass die Theatermacherin Ursula Reisenberger vorgefertigte Dinge in Leogang quasi aus dem Koffer holt. Gerne schöpft sie ihre Themen vor Ort. "Im Dorf" – Premiere ist morgen Samstag (14.7.) – ist ein typisches Beispiel für eine solche konkrete Verortung. Das Wiener Ensemble „ortszeit“ hat ein besonderes Kapitel der örtlichen Geschichte recherchiert. „Im Dorf“ beschäftigt sich mit den Schicksalen dreier französischer Kriegsgefangener, die im Zweiten Weltkrieg auf Leoganger Bauernhöfen als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Während zwei von ihnen einen gewaltsamen Tod fanden, entwickelte der dritte eine solche Verbundenheit zum Dorf, dass er sogar verfügte, dass seine Urne dort beigesetzt werden sollte.
„In den Schicksalen der drei Gefangenen spiegelt sich die ganze Bandbreite möglicher Beziehungen im sozialen Raum. Verrat und Untergang haben darin ebenso ihren Platz wie Rettung und neue Heimat“, erklärt die engagierte Theatermacherin. „Die Geschichten zu einer einzigen zu verbinden und damit sichtbar zu machen, dass in Wirklichkeit keine ohne die andere vollständig ist, fügt der Wahrnehmung eine wesentliche Dimension hinzu.“
Das neue Stück sei „ein Cluster aus Stimmen, die einander ergänzen – oder konterkarieren. Ein Dialog mit der Landschaft, mit dem Dorf”, sagt Ursula Reisenberger.
Es spielen Hannes Bickel, Agnieszka Salamon, Claudia Heu, Lukas Johne, Andreas Peer und Johannes Schüchner. „Dorf und Umgebung“ sind der Spielort, „ortszeit“-Fans wissen, dass ordentliches Schuhwerk, vorzugsweise Bergschuhe, unverzichtbar sind und auch wetterfest Kleidung sinnvoll ist, denn die Aufführungen finden auch bei Regen statt. „ortszeit“ ist zum siebenten Mal in Leogang zu Gast.
Tags darauf (am Sonntag, 15.7.) wird die Vorjahres-Produktion „Die Eumeniden“ wieder aufgenommen. Vom Spielort – dem einstigen Leoganger Magnesitwerk – wissen die meisten Einheimischen nur mehr vom Hörensagen: Es hat sich in den vierzig Jahren seit seiner Schließung in ein beinahe unberührtes Stück Natur zurückverwandelt. „Ein Raum außerhalb der menschlichen Gemeinschaft, aber von ihr geprägt“, schwärmt Ursula Reisenberger. Eine „Zwischenwelt“ ortet sie. „Dort stellen die Eumeniden den Muttermörder Orest vor ein Gericht der Götter. Doch was hier verhandelt wird, ist ein Prozess über die Menschheit: Natur und Zivilisation stehen einander gegenüber.“ (ortszeit/dpk-krie)