Schöne Aussichten!
WAHRE LANDSCHAFT
11/05/10 Ansichtskarten gibt es immer noch, dem E-Mail zum Trotz. Ist aber das, was auf Ansichtskarten zu sehen ist, auch das, was Einheimische auf Ansichtskarten eigentlich sehen wollten? Im Rahmen der Inititativen „Wahre Landschaft“ bringt die Künstlergruppe „Alpine Gothic“ Die Bewohner zum mal-aktiven Nachdenken.
Von Reinhard Kriechbaum
„Der tägliche Blick der BewohnerInnen Radstadts auf ihre Umgebung, die Beobachtung der Natur, Licht- und Wetterstimmungen, das Erleben von Landschaft abseits klassischer Postkartenmotive ist Ausgangspunkt für eine lustvolle gemeinschaftliche Neuinterpretation von Landschaftsmalerei“, erklären Christina Breifuß, Erik Hable, Wolfgang Wirth, die Mitglieder der Künstlergruppe „Alpine Gothic“.
Für ihr Projekt „Schöne Aussichten!“, das von 12. bis 19. Mai in Radstadt umgesetzt wird, haben sie eine Förderung im Rahmen der Initiative „Wahre Landschaft“ bekommen. Das ist jene Förderschiene, mit der innovative Kunst in den Landbezirken gesucht, gefunden und eben auch punktgenau gefördert werden soll. „Ziel ist eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Heimatbildern und regionalen Lebensperspektiven, sowie die Produktion 'neuer' Landschaftsbilder“, erklären die Künstler. An mehreren Plätzen, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wichtig sind, sollen in Workshops als „Plainair-Bilder“ entstehen. „Mit den Mitteln der Malerei versuchen wir Visionen, Projektionen, Utopien, individuelle und kollektive Erzählungen der TeilnehmerInnen sichtbar werden zu lassen.“
„Schöne Aussichten!“ ist eines von acht preisgekrönten Projekten für „Wahre Landschaft“. Die Drehbuchwerkstadt Salzburg ist gleich in den genuss zweier Projektförderungen gekommen. In Vorbereitung der Dreharbeiten für den Film „Deserteur!“ (einer Aufarbeitung der Nazi-Geschichte in der Region – hat vor anderthalb Wochen ein zweitägiges Filmfestival zum Thema „Kindersoldaten“ stattgefunden. „Brückenbau“ ist eine weitere Initiative der Drehbuchwerkstatt, da geht es darum, Frauen mit Migrationshintergrund zu künstlerischen Äußerungen zu bringen.
„Stimmen hören“ hieß ein Projekt von Wolfgang Seierl in der Pinzgauer Gemeinde Stuhlfelden, das auf eine künstlerische Beschallung rund um Kleindenkmäler und andere spezielle Punkte im Dorfgefüge hinausgelaufen ist. Diese Aktion endet heute, Dienstag (11.5.). Immer wichtig für „Wahre Landschaft“ ist, dass Gedankengut vor Ort gesammelt und dann in die Kunstprojekte einbezogen wird. Das war bei „Stimmen hören“ gegeben – und das ist auch Kern von „Leben auf hohem Niveau“ im Lungau: Da geht es nicht nur um die geographisch hohe Lage im Lungau, sondern auch darum, ob unser Lebensniveau und jenes von „Fremden“, von Migranten irgendwie in Einklang zu bringen ist. Da gibt es beispielsweise bis 2. Juni den „Zuagroasten Esstisch“: „Der Esstisch ist zu Gast in einem anderen Haus, und zu einem selbst kommt der eingetauschte, fremde Tisch auf Besuch“, heißt es in der Projektbeschreibung. „Geplant ist eine Reise von dreißig Esstischen, Kontakt und Kommunikation entstehen.“ Die Initiative soll nach den Vorstellung ihrer Betreiber „eine Gegenrede zu den sich einnistenden rechtspopulistischen Schwelbränden“ in Gang bringen: „Agieren, bevor sie zu Feuern auflodern.“
Die Filmkünstlerin Esther Hassfurther dreht seit April in Hallein Kurzfilme mit Jugendlichen, die ebenfalls zu Begriffen wie „Heimat“ oder „Fremdheit“ ihre Gedanken äußern. Am 6. Juni werden die Ergebnisse unter dem Schlagwort „Heimat bist du...“ vor Ort, im Jugendzentrum MUKUZO, präsentiert.
Und „Dreieinhalb Minuten: Lebensgeschichten aus dem Pinzgau“? Das ist ein digitales Storytelling Projekt von Willi Schwarzenbacher und Elke Zobl. Menschen in der Nationalparkregion wurden nach ihrem Lebensalltag und Lebensgeschichten befragt, Kurzvideos sind entstanden. „Es geht um reale Lebensläufe und um beispielhafte fiktionale Lebensgeschichten“ heißt es. Die Videos sind schon jetzt auf einem Blog sowie auf YouTube zugänglich (www.wildenatur.at) und soll Teil eines transnationalen online Netzwerkes von digitalen Lebensgeschichten werden. Was Katl und Lisl als „Bramberger Moviestars“ erzählen, lässt das Herz eines jeden Dialektforscxhers höher schlagen. Die Kurzfilme werden am 29. Mai im Pavillion in Bramberg am Wildkogel vorgestellt.
Etwas unmotiviert hat sich auch ein mobiles Wohnzimmer-Theaterprojekt, „Geschenk:Leben“ ins „Wahre Landschaft“-Portfolio eingeschlichen. Das mag darin begründet liegen, dass man diese Toihaus-Produktion auch außerhalb der Landeshauptstadt buchen kann.