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Ein brillanter Beobachter der Unzulänglichkeit

TODESFALL / OTTO SCHENK

09/01/25 Seine erste Opernregie hat er 1957 im Salzburger Landestheater gemacht, und er war in der Ära Karajan sogar kurz im Direktorium der Festspiele: Otto Schenk, Grandseigneur der Theater- und Opernregie und vor allem auch ein Meister der tragikomischen Unterhaltung, ist heute Donnerstag in seiner Altersresidenz am Irrsee gestorben. Er stand im 95. Lebensjahr.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein anderer Großer der Regiekunst, Fritz Kortner, bescheinigte ihm ein „Adlerauge für das Unwesentliche“. Genau das machte viel aus in seinen Inszenierungen. Otto Schenk hatte einen unbestechlichen Blick für das Unzulängliche, für das vergebliche Verstellen, für das rührend hilflose Bemühen seiner Mitmenschen. Diese brillante Beobachtungsgabe hat er dann im Kleinen wie im Großen umgesetzt. Sie eröffnete im Theater wie auf der Opernbühne jene Nähe zu den jeweiligen Figuren, die uns in Schenks Inszenierungen oft sehr „menschlich“ begegneten.

Es war eine andere Zeit. Eine, in der Regisseure sich generell eher als Advokaten der jeweiligen Werke verstanden denn als kreative Neu-Erklärer (oder gar als Werk-Zertrümmerer). Konservative Geister sprechen von „Werktreue“, auf der Otto Schenk durchwegs beharrte. Seine Opern- und Schauspielarbeiten bestachen durch die punktgenaue Zeichnung von Menschenbildern. Und weil der Humor eine der herausragendsten Fähigkeiten dieses Theatermannes war, fand man selbst in tragischen Figuren der Bühnenliteratur positive, gar liebenswürdige Anhaltspunkte.

Selten hat eine Regie Schenks wirklich angeeckt. So geschehen 1967 an der Staatsoper, als Schenk den Don Giovanni nach Publikums- und Dirigentenmeinung (Josef Krips) gar zu ironisch-frivol ins Rennen um die Gunst der Damenwelt schickte. Die meisten seiner Inszenierungen hielten sich über Jahre, ja Jahrzehnte im Repertoire. Dreißig Werke inszenierte Otto Schenk allein in der Staatsoper, fünfzehn an der MET in New York. Burgtheater und Münchner Kammerspielen, Mailänder Scala, Royal Opera House in Covent Garden, Deutsche Oper Berlin, Bayerische Staatsoper, Hamburgische Staatsoper: Schenk-Inszenierungen waren an vielen großen Häusern gefragt.

Schenk kam 1930 in Wien zur Welt. Nach seiner Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar begann er seine Schauspielkarriere am Wiener Volkstheater und danach am Theater in der Josefstadt. Ab 1953 begann Schenk Regie zu führen, stand aber bis ins höchste Alter auch immer selbst auf der Bühne. Erst 2021 verabschiedete er sich in der Josefstadt von den Brettern, die ihm die ganze Welt bedeuteten: als Diener Firs in Tschechows Kirschgarten.

Sein Durchbruch als Opernregisseur war 1963 mit Alban Bergs Lulu unter der leitung von Karl Böhm in der Wiener Volksoper. Geschichte schrieb er mit Wagners Ring ab 1986 an der MET. Von 1988 bis 1997 war Otto Schenk Direktor des Theaters in der Josefstadt (gemeinsam mit Robert Jungbluth).

Bei den Salzburger Festspielen war Otto Schenk Dauergast zwischen 1950 und 1997. In den ersten Jahren freilich nur als Mitglied der Tischgesellschaft im Jedermann. 1952 schon eine kleinere Rolle in einem recht unbekannten Nestroy-Stück, Die Träume von Schale und Kern. In Stücken von Nestroy und Raimund war Schenk all die fast fünf Jahrzehnte präsent. 237 Mal ist Otto Schenk bei den Salzburger Festspielen aufgetreten.

Nicht nur sein Operndebüt 1957 im Landestheater, auch seine erste Festspiel-Regie 1963 galt Mozarts Zauberflöte. Seine erste Schauspiel-Regie in Salzburg war 1972 Twelth Night (Was ihr wollt) von Shakespeare, seine erste Nestroy-Inszenierung 1976 Nestroys Talisman mit helmuth Lohner als Titus Feuerfuchs. Schenk selbst spielte da den Plutzerkern. Bald auch wieder der Jedermann, Schenk war der Teufel zwischen 1978 und 1982, dann wieder 1991 und 1992.

1980 hat Schenk Shakespeares As you like it (Wie es euch gefällt) in der Felsenreitschule inszeniert, im Jahr darauf als Regisseur die Oper Baal von Friedrich Cerha in Salzburg aus der Taufe gehoben. Als Jürgen Flimm, damals Schauspielleiter der Festspiele, selbst Regiehand anlegte an Nestroy und Raimund, war Schenk wieder als Schauspieler gefragt, etwa als Schnoferl im Mädl aus der Vorstadt oder als Fortunatus Wurzel in Der Bauer als Millionär. Schenks Festspiel-Abschied 1996/97 mit Raimunds Alpenkönig und Menschenfeind: Da war Helmuth Lohner der Alpenkönig und Schenk der Rappelkopf, und in einer Szene haben die beiden ihre Masken vertauscht und waren jeweils der andere.

Von 1986 bis 1988 war Otto Schenk nach dem plötzlichen Tod von Boy Gobert als Mitglied des Direktoriums für das Schauspiel bei den Salzburger Festspielen verantwortlich.   

Ein Schenk-Bild wäre unkomplett ohne Hinweis auf seine Lese-Tourneen. Sachen zum Lachen war eine sichere Nummer für den Anekdoten-Erzähler und Die Sternstunde des Josef Bieder auch ein Text, in dem Schenk mit gehöriger Selbstironie sein Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss.

Bild: Wikimedia / Manfred Werner 
Zum Bericht Ein Toi-toi-toi vom lieben Gott

 

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