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Ein Achitekt der Kultur-Gründerzeit

ZUM TOD VON HEINZ KLIER

16/05/22 „Aus dem Leben eines Unermüdlichen“ titelten wir, als Heinz Klier am 3. Februar 2017 seinen 90. Geburtstag feierte. Wenige Menschen haben Salzburgs Nachkriegs-Kulturleben so stark geprägt wie er. Eine Würdigung des am 7. Mai im Alter von 96 Jahren Verstorbenen.

Von Reinhard Kriechbaum

Der damals Neunzigjährige war damals zwar schon seit neun Jahren nicht mehr Kulturvereinigungs-Chef, aber es verging kein Tag, an dem er nicht immer noch an seinem Schreibtisch im Büro im Traklhaus Plartz nahm. Nun war Klier, der fast sechs Jahrzehnte über die Geschicke dieser Institution gewacht hatte, eben höchst aktiver Vizepräsident des Vereins.

Rückblende in die Nachkriegszeit, O-Ton Heinz Klier: „Der Hunger war da, aber die Leute konnten sich die Konzerte nicht leisten. Die größte Investition war ein Kühlschrank und man träumte vom 'Topolino'.“ Dem also setzte Klier, der die Volksbildnerei wohl in den Genen angelegt hatte, sehr entschieden entgegen. 1951, als 24jähriger, hat der promovierte Germanist das Management der 1947 gegründeten Salzburger Kulturvereinigung übernommen. In seinem ersten Amtsjahr gab's auch den ersten Theaterring (Betriebsabonnement), den der damalige Kulturverinigungspräsident und spätere Festspielpräsident Josef Kaut initiiert hatte.

Im Jahr darauf die erste große Gründung Kliers: der Konzertring, der zwei Saisonen lang in der großen Aula eine Heimstatt fand und 1954 ins damalige (Kleine) Festspielhaus übersiedelte. „Tausend Plätze mehr als in der Aula – aber ich konnte sie füllen“, erzählte Klier Jahrzehnte später im DrehPunktKultur-Interview. Natürlich wurde die Kulturvereinigung dann 1960 erster Dauermieter im Großen Festspielhaus, „noch vor dem Adventsingen“, wie Klier stolz sagte. Also nochmal tausend Sitzplätze mehr. Und das Festspielhaus, nicht nur im Garderobenbereich bis heute eher auf Sommerbetrieb eingestellt, musste wintertauglich gemacht werden für Kliers Konzertringe. „Deshalb wurde auch eine Heizung eingebaut, was Architekt Clemens Holzmeister gar nicht vorgesehen hatte.“

58 Jahre lang prägte Heinz Erich Klier die Salzburger Kulturvereinigung und er hat Menschen sonder Zahl den Weg zur Kultur, ins Landestheater und in die Festspielhäuser, geebnet. Neben seiner Arbeit für die Kulturvereinigung hatte er immer auch einen „Brotberuf“: Von 1959 bis 1964 leitete er das Kartenbüro der Festspiele, ab 1964 bis zur Pensionierung 1992 war er Leiter des Kulturamtes bzw. der Kultur- und Schulverwaltung der Stadt Salzburg. Über drei Jahrzehnte lang (bis 2002) wachte er ehrenamtlich über den Kulturfonds der Stadt Salzburg.

Seit den siebziger Jahren gibt es drei Konzertringe. An die Einführung der dritten Reihe – Welt der Musik – knüpfte sich für Klier eine besonders schöne Erinnerung: Er hatte fürs erste Jahr einen Beethoven-Symphonienzyklus vorgesehen und lud unter anderem die Leningrader Philharmonie unter Jewgenij Mrawinskij ein. Aber der wollte partout nicht Beethoven, sondern Prokoffjef dirigieren! Wer Klier kannte, ahnt schon: Mrawinskij ließ sich erweichen. „Ich habe ihre traurigen Augen im Kopf", habe ihn der russische Dirigent schließlich wissen lassen – und dirigierte Beethovens Fünfte und die Sechste.

Solche Klier-Schnurren gibt es zuhauf. Klier erzählte uns von Dirigenten wie Pierre Monteux und beschrieb das Faszinosum, „einem Menschen gegenübergestanden zu sein, der 1913 Strawinskijs Sacre du Printemps aus der Taufe gehoben hat“. Zu Jewgenij Mrawinskij hat sich dann sogar eine Freundschaft entwickelt: „Ich war sogar bei ihm zu Hause, einer schönen Wohnung an der Newa, zu Gast", so Klier.

Der Ruf Kliers als großem Sparmeister gipfelt in jener immer wieder erzählten Geschichte, da er mit Herbert von Karajan verhandelte: Zum 25-Jahre-Jubiläum der Kulturvereinigung wünschte sich Klier ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter dessen Leitung. Der Maestro: „Wie viel können Sie eigentlich zahlen?“ Klier nannte 200.000 Schilling, darauf Karajan: „Da müsste ich ja gratis dirigieren.“ Klier erinnerte den Maestro daran, dass ihm eben erst die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt verliehen wurde – und Karajan verzichtete tatsächlich aufs Honorar!

Es waren Gründerjahre, und Heinz Klier hatte, wiewohl er manchmal den Eindruck eines kleinkrämerischen Berufsbeamten machte, stets ein Gespür für sinnvolle und notwendige Weichenstellungen. Da war also zuerst die Musikvermittlung. Bis heute ist Salzburg unter Österreichs Bundesländer-Hauptstätten eine Abonnement-Hochburg, und das fußt auf Kliers hartnäckiger Arbeit vor Ort, auf den Konzertringen und den Berufs-Abos im Landestheater. Er gab's preisgünstig, aber nicht billig: Immerhin fünf Mal waren die Wiener Philharmoniker bei der Kulturvereinigung (u.a. unter Aram Katschaturian, Erich Leinsdorf und Karl Böhm). Die Leningrader (St. Petersburger) Symphoniker waren ebenso eingeladen wie das London Symphony Orchestra, die Staatskapelle Dresden, das Leipziger Gewandhausorchester und natürlich die Wiener Symphoniker.

Auch wenn Heinz Klier nie einen sonderlich guten Draht zur zeitgenössischen Kultur hatte, war er sehr offen. Als er das „Revierdenken“ seines Publikums beobachtete, gründete er 1972 die „Salzburger Kulturtage“. Es ging ihm darum, die Vielfalt des Salzburger Angebotes zu vermitteln, zu bündeln. Zwei Jahre zuvor hatte Klier eine Idee des Regisseurs Oscar Fritz Schuh aufgegriffen und das Salzburger Straßentheater initiiert. Für neue Ideen war auch der Hochbetagte offen. Er war es, der Elisabeth Fuchs zu seiner Nachfolgerin wählte – wohl weil er in dieser „Kultur-Macherin“ eine Wesensverwandte erkannte.

Woran wir in der DrehPunktKultur-Redaktion uns sehr gerne erinnern: Als wir das Medium 2004 gründeten, schlugen uns vom damals achtzigjährigen Heinz Klier nicht nur Neugier, sondern auch viel Wohlwollen entgegen. Er, der damals noch nicht recht wusste, was Internet überhaupt war, spürte Innovation...

Bilder: dpk-krie
Zum Nachruf der Salzburger Kulturvereinigung
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