asdf
 

Technik wird heute völlig überschätzt

INTERVIEW / ALINA POGOSTKINA

24/02/17 Alina Pogostkina spielt bei der Kulturvereinigung von 8. bis 10. März mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Antonio Méndez das Violinkonzert des armenisch-russischen Komponisten Aram Chatschaturjan. Michael Sowa führte mit der deutschen Geigerin russischer Herkunft ein Gespräch.

Alina Pogostkina wurde in Leningrad geboren und zog im Alter von acht Jahren mit ihren Eltern nach Heidelberg. Dort wurden Alinas Eltern als Straßenmusiker tätig, noch bevor sie selbst angefangen hatte, mit kleinen Konzerten aufzutreten.

Michael Sowa: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind Sie gemeinsam mit Ihrer Familie im Alter von 8 Jahren von St. Petersburg nach Heidelberg gezogen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Alina Pogostkina: Ich denke, Kinder sind sehr empfänglich für alles, was um sie herum geschieht. Auch wenn ich nicht viel von Politik verstanden habe, oder von den materiellen Sorgen meiner Eltern, habe ich doch emotional sehr viel mitbekommen. Die großen Hoffnungen, die Ängste, die Unsicherheit. Dieses Gefühl in ein fremdes Land zu kommen, alles Alte hinter uns zu lassen, es war ein großes Abenteuer, das uns als Familie sehr zusammengeschweißt hat. In dieser ersten Zeit habe ich auch viel über Menschen gelernt. Wir haben in Deutschland unglaublich viel Hilfsbereitschaft erfahren und sind auf unzählige offene Türen gestoßen.

Wussten Sie damals schon, dass Sie professionelle Geigerin werden möchten?

Das Geigespielen habe ich von meinen Eltern übernommen, ich bin damit großgeworden und es war selbstverständlich für mich, in einem passenden Alter damit anzufangen. Es gab keine Schlüsselerlebnisse, mein Leben ist eine einzige langsame Entwicklung, die für mich mit der Zeit immer mehr Sinn ergibt. Es war immer klar, dass es mein Beruf sein würde. Allerdings ist es ein anderer Prozess, die Berufung darin zu finden. Ich glaube, das ist ein lebenslanger Weg.

Als Sie in die Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin aufgenommen wurden, ging dann alles recht schnell. Welche Rolle spielte der Gewinn des Sibelius Wettbewerbs für Ihre Karriere?

Der Sibelius Wettbewerb öffnete mir viele Türen und machte es möglich, dass ich mich ganz auf den Beruf als Solo-Geigerin konzentrieren konnte.

Auch zu Salzburg haben Sie bereits eine besondere Verbindung. So haben Sie im Sommer die von Publikum und Presse hoch gelobte letzte Mozart-Matinee unter der Leitung von Sir Neville Marriner gestaltet. Außerdem haben sie Barockvioline hier in Salzburg studiert. Können Sie uns mehr darüber verraten? Was ist der Unterschied zu einer modernen Geige?

Ich habe mit Reinhard Goebel studiert, was ein großes Glück für mich war. Er ist ein Meister seines Fachs und hat mir sehr viel gegeben. Wir arbeiten nach wie vor viel miteinander. Die Barockgeige ist der Vorgänger der modernen Geige, allerdings spielen die technischen Details viel weniger eine Rolle als die Auseinandersetzung mit Alter Musik, der Historischen Aufführungspraxis. Wenn man etwas über die Musik und ihre Aufführungspraxis weiß, kann man auch auf Stahlsaiten und modernen Instrumenten spielen. Dagegen ist das Spielen auf Barockinstrumenten ohne diese Auseinandersetzung wenig sinnvoll.

Bei den Konzerten im Großen Festspielhaus interpretieren Sie das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan. Lange Zeit war es auf den Spielplänen vieler Konzerthäuser eher selten zu finden. Welchen Stellenwert hat das Werk für Sie persönlich?

Meiner Meinung nach hat sich das Werk mittlerweile ziemlich etabliert. Natürlich nicht so sehr wie Beethoven und Brahms, aber das sind Meilensteine, an die nicht so leicht ein anderer Komponist herankommt. Für mich ist die Auseinandersetzung mit dem Werk auch recht neu und ich genieße es sehr, ein Stück Armenien damit kennenzulernen.

Das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan ist ja dem für seine grandiose Technik bekannten Jahrhundertgeiger David Oistrach gewidmet. Der Komponist musste also auf diesbezügliche Einschränkungen keine Rücksicht nehmen. Spürt man das bzw. wie wichtig ist Ihnen Virtuosität und Technik?

Technik ist für mich nichts weiter als Mittel zum Zweck. Man muss sie beherrschen, um den Ausdruck zu meistern, um an die Seele der Musik zu kommen. Jedenfalls ist das in der Klassischen Musik der Fall. Es gibt auch andere Arten des Musikmachens, wo nicht einmal das notwendig ist. Ich denke, dass Technik in der heutigen Welt völlig überschätzt wird. Mit Virtuosität und dem Glamour, der damit verbunden ist, kann sehr leicht von der eigentlichen Botschaft von Musik abgelenkt werden. (Kulturvereinigung)

Konzerte am 8., 9. und 10. März jeweils um 19.30 Uhr im Großen Festspielhaus. Mozarteumorchester Salzburg, Alina Pogostkina (Violine), Antonio Méndez (Dirigent). Außer dem Violinkonzert von Aram Chatschaturjan ist die symphonische Dichtung „Scheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow zu hören – www.kulturvereinigung.com
Bild: Salzburger Kulturvereinigung / www.alinapogostkina.de / Felix Broede

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014