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Mit Thomas Bernhard „in die entgegengesetzte Richtung“ gehen

HINTERGRUND / STOLPERSTEINE

20/09/19 Wir lesen in Thomas Bernhards Buch Der Keller, dass er als Schüler des Humanistischen Gymnasiums in das „absolute Schreckensviertel der Stadt“, in die Scherzhauserfeldsiedlung ging, um im Keller des Lebensmittelhändlers Karl Podlaha eine Lehre zu machen. Dort lernte Thomas Bernhard arme Leute, Außenseiter und Verrückte kennen.

In der einstigen Scherzhauserfeldsiedlung lebten auch Februar- und Spanienkämpfer, Befehlsverweigerer und Deserteure, zum Beispiel Johann Reiter, der 1939 den Kriegseinsatz in Polen verweigerte und daraufhin erschossen wurde. An Johann Reiter erinnert bereits ein Stolperstein unweit des Kellers in der nach dem Autor Thomas Bernhard benannten Straße.

An diesem Ort wird der Künstler Gunter Demnig morgen Samstag (21.9.) um 9.30 Uhr zwei weitere Stolpersteine verlegen: für den Spanienkämpfer Heinrich Pospischil und den Deserteur Josef Wintersteller.

Die letzte Wohnadresse von Heinrich Pospischil, 1903 in Bürmoos als Sohn eines Glasbläsers in Bürmoos geboren: Scherzhauserfeldsiedlung J/1. Als ers sich dort am 24. Jänner 1938 abmeldete, verschwieg er aus guten Gründen den Behörden sein Reiseziel Spanien, andernfalls hätte er seine Staatsbürgerschaft verloren. Gewiss ist aber, dass er mit seinem Gesinnungsgenossen Josef Riener im Jänner 1938 nach Spanien reiste, um an den Kämpfen gegen den Franco-Faschismus teilzunehmen. Am 13. März 1938 – zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich – befand er sich nachweislich in Madrigueras bei Albacete südöstlich von Madrid. Dort war ein Ausbildungsbataillon der Internationalen Brigaden. Sein Lebensende im spanischen Bürgerkrieg ist allerdings nicht dokumentiert. Josef Riener, Spanienkämpfer und Überlebender des nationalsozialistischen Terrors, berichtete nach der Befreiung, dass Heinrich Pospischil 35jährig bei Kämpfen in Lérida, Provinz Katalonien, gefallen sei.

Josef Wintersteller kehrte nach einem Heimaturlaub nicht mehr an die Ostfront zurück und wurde deshalb 1942 von einem Kriegsgericht wegen „unerlaubter Entfernung von der Truppe“ zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, dann aber doch noch zwecks „Bewährung vor dem Feind“ an die Front geschickt, mutmaßlich in den Osten. Wir wissen nichts Konkretes über seine Strafeinheit, die im Vernichtungskrieg zum Bunker- und Stellungsbau oder zur Minenräumung und Leichenbergung eingesetzt wurde. Warum der damals 33jährige am 1. Juli 1944 in Danzig sein Leben verlor, ist nicht geklärt.

Achtzig Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges in Spanien und achtzig Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges legt das Personenkomitee Stolpersteine Salzburg mit seinen 390 Mitgliedern besonderes Augenmerk auf freiheitsliebende und widerständige Leute. So werden in den nächsten Tagen Stolpersteine verlegt, die an elf Spanienkämpfer erinnern, sowie an und zwanzig Deserteure, die nach der Befreiung Österreichs keine offizielle Anerkennung als „Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich“ erhielten.

Die weiteren 24 Steine werden nicht von Gunter Demnig selbst verlegt, sondern am 24. und 25. September von der Bauabteilung des Magistrats. Darunter Steine für Anna Machek und ihre in Haft geborene Tochter Antonia, für die der Magistrat der Stadt Salzburg die Patenschaft übernahm.

Anna Machek wurde wegen staatsfeindlicher Äußerungen“ 1944 denunziert und aus dem städtischen Dienst entlassen. Bei Gestapo-Verhören wurde die Hochschwangere von dem wegen brutaler Übergriffe gefürchteten Kriminaloberassistenten Georg König („Gestapo-König“) misshandelt. Das Kind starb gleich nach der Geburt, der Ehemann kam bei einem Bombenangriff ums Leben.

Mit den nun hinzugekommenen Gedenksteinen haben insgesamt 441 Terror-Opfer Namen und Orte im Gedächtnis der Stadt Salzburg. Diese Opfer-Biografien sind online abzurufen – und das tun nach Auskunft des Stolpersteine-Komitees täglich rund neunhundert besucherinnen und Besucher der Website. Das ist eine ansehnliche Bilanz. (Dachverband Salzburger Kulturstätten)

Die Biografien der Opfer der hdiesjährigen Verlegung: www.stolpersteine-salzburg.at
Bilder: www.stolpersteine-salzburg.at

 

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