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Die EU und die Molybdomantie

HINTERGRUND / BLEIGIESSEN

02/01/19 Haben Sie's getan? Noch in der Silvesternacht mit Bleigießen klammheimlich oder gar halböffentlich rebelliert gegen die EU? Dieser verbreitete Losbrauch ist – zumindest theoretisch – ausgeschieden als Option, etwas über unsere Zukunft herauszubringen.

Von Reinhard Kriechbaum

Das Bleigießen ist in den EU-Ländern verboten, weil die (ohnedies eher Zinn-basierten) Sets doch deutlich mehr als die erlaubten 0,3 Prozent Blei enthalten. Mit Blei-Orakeln ist es seit dem Vorjahr vorbei, zumindest dem Buchstaben des Gesetzes nach. Dabei hätten wir uns gerade heuer, angesichts des bevorstehenden Brexit, allzu gerne auf EU-Sterndeuterei eingeschossen und möglichst viele Objekte gegossen, die man als Sterne hätte ansehen können.

Nichts mit Bleigießen also. Aber reden kann man gut darüber und damit Punkte in Sachen unnützes Wissen einheimsen. Das Wort „Molybdomantie“, selbstbewusst in die Runde geworfen, könnte die anderen in der Gesellschaft ehrfürchtig schweigen lassen. Der Begriff setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern „mólybdos“ (Blei) und „manteía“ (Weissagung). Die Griechen sollen es tatsächlich schon mit der Molybdomantie versucht haben, die Römer ebenfalls.

Während des Dreißigjährigen Krieges schmolzen Landsknechte ihre Bleikugeln, um in ihre Zukunft zu blicken. Blei war – in Form von Gewehrkugeln – für jedermann greifbar, was die weite Verbreitung des Bleigießens erklären könnte. Dass die Alchemisten dem Blei einen besonderen Stellenwert einräumten, war dem Brauch gewiss auch nicht abträglich. Die Alchemisten wollten im vergleichsweise weichen und schweren Blei Ähnlichkeiten zu Gold erkennen. Das Umwandeln von Blei zu Gold wollte ihnen freilich nicht gelingen.

Nun hilft also nur noch Zinn, das auch eine vergleichsweise niedrige Schmelztemperatur hat. Eine Alternative seit je her ist Wachsgießen. Das ist ja gar keine schlechte Idee, vor allem wenn ungeduldige Kinder mittun. Wachs schmilzt deutlich schneller. Aber die Ergebnisse sind in Blei schon vielfältiger, bizarrer ausgefallen.

Mit dem Blei-Verbot haderten übrigens auch die Orgelbauer, denn über die Jahrhunderte wurden und werden bis heute metallene Orgelpfeifen aus Zinn/Blei-Legierungen hergestellt. Der Bestandteil an Blei ist nicht unwichtig für die Klangeigenschaften. Als das Bleiverbot ausgesprochen wurde, gewährte die EU den Orgelbauern eine Ausnahmegenehmigung. Für sie gibt es keine handwerkliche Alternative zum Blei.

„Borstenvieh und Donauwalzer“ heißt ein im Vorjahr erschienenes Buch, in dem sich DrehPunktKultur-Chefredakteur Reinhard Kriechbaum mit Jahresswechsel-Bräuchen beschäftigt. Es ist im Verlag Anton Pustet erschienen. Mit Silvester ist die Sache noch lange nicht vorbei, denn zu den Jahreswechselbräuchen zählen auch die Perchten in ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Und die gehen ja speziell in der Nacht auf den 6. Jänner um. – www.pustet.at
Bilder: dpk-krie

 

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