asdf
 

Chaos und punktuelle Qualität (2)

HINTERGRUND / ARCHITEKTUR / SALZBURG

28/05/10 Doch nun zu Bereichen in der Stadt, die sich in aller jüngster Zeit verändern und anderen, die sich gerade als Großbaustellen präsentieren. Ein Streifzug von Itzling bis ins Nonntal.

Von Werner Thuswaldner

altIn Itzling ist die Schillerstraße neben das Gleis der Lokalbahn verlegt worden. Das architektonisch sauber gelöste TechnoZ bekam als Nachbarschaft einen langen, mehrgeschossigen Büroriegel mit einem Supermarkt als Sockel. Warum ist der Bürobau signalrot angefärbelt? Natürlich um Aufmerksamkeit zu erregen.

Ein weiterer Blickpunkt ist das soeben eröffnete neue Betriebsgebäude der Alpenmilch von dem Wiener Architektenduo Gharakhanzadeh und Sandbichler. Auffälligkeit wird hier mit einem durchlöcherten Alublech erzielt, das der Längsfassade vorgesetzt wurde. Damit wird nicht zuletzt davon abgelenkt, dass die Anordnung der Öffnungen in der Außenwand des Gebäudes willkürlich erscheint. Insgesamt hat man es hier mit verfehltem Städtebau zu tun. Zur Bahn hin musste eine Lärmschutzwand erreichtet werden. Entlang der Bahn auf der anderen Seite stehen vor kurzem errichtete Wohnbauten. Jeder weiß, dass entlang von Verkehrswegen keine Wohnqualität entstehen kann. Doch die Gründe sind verhältnismäßig billig, sie werden von Wohnbaugesellschaften gekauft und bebaut.

Hier in Itzling zeigt sich, was für andere Stadtteile auch zutrifft. Der Verkehr ist falsch geführt, neue Großbauten stehen in unmittelbarer Nähe von Einfamilienhäuschen aus der ersten Hälfte des alt20. Jahrhunderts. Chaos bestimmt den Eindruck, aber zwischendurch findet sich auch architektonische Qualität (TechnoZ).

Eine andere Großbaustelle ist der Hauptbahnhof. Man darf gespannt sein, wie der Versuch, historische Bauteile – gemeint ist der Eingangsbereich – mit der Funktion eines stark frequentierten Bahnhofs, der durch einen großzügigen Tunnel mit der Lastenstraße verbunden soll, ausgehen wird.

Die Bauten, die den Bahnhofsvorplatz umgeben, bilden formal ein veritables Durcheinander und kein Entree, das einer Kulturstadt, wie sich Salzburg nennt, würdig wäre. Hinter dem Erscheinungsbild ist nicht Planung zu vermuten, vielmehr das Zufallsprinzip. Übrigens sind auch hier entlang der nach Osten und Süden führenden Gleisstränge riesige Wohnblocks entstanden. Die bunt gefärbten Balkons werden für die Bewohner den Lärm der Bahn kaum vergessen lassen.

altDas Beton-Hauptgebäude des Uni-Parks Nonntal, von einem Architekturbüro aus Hannover entworfen, wird gerade mit einer aufwändigen Lamellenverkleidung verziert. Das Erdgeschoss mit einem ansteigenden Eingangsbereich zeichnet sich nicht durch gestalterische Konsequenz aus. Von einsichtiger Gliederung kann nicht die Rede sein. Schade, dass hier – der Bau kostet über 50 Millionen Euro – nicht mehr an architektonischer Qualität herauszuholen war.

Die „Neue Mitte Lehen“ stellt den Versuch dar, einem amorphen Stadtteil eine Art Zentrum zu geben. An der Stelle der Zuschauerrampen des ehemaligen Fußballstadions, entstanden die neue Stadtbibliothek und auf der anderen Seite des einstigen Spielfelds Wohnungen, ein Seniorenzentrum und ein Veranstaltungssaal. Die Baukörper signalisieren altallein durch ihre beträchtlichen Dimensionen Dominanz. Die Bewohner von Lehen betrachten die Neubauten als Aufwertung.

Ein weiteres neues Seniorenzentrum (bedenklicher Ausdruck) ist seit März auf dem ehemaligen Mercedes-Areal in Bau.

Auf dem ehemaligen Areal der Stadtwerke in Lehen entstehen 300 Wohnungen, ein Studentenheim, ein Kindergarten und dazwischen Grünanlagen. Auf der zweiten Hälfte des Grundstücks soll ein Gewerbegebiet mit acht Bauwerken entstehen. Gewerbe und Wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft?  Mit „Gewerbe“ seien hier ein Hotel und Kreativbetriebe gemeint, heißt es. Forschungseinrichtungen sollen hier tätig werden.

Große Veränderungen sind an der Westeinfahrt in die Stadt Salzburg zu beobachten. In unmittelbarer Nähe zum Flughafen trumpft Mercedes mit seinem Betriebsgebäude auf. An der Planung von Architekt Klaus Kada altist vor allem die Fassadengestaltung bemerkenswert. Sie sieht aus, als seien hier trapezförmige Elemente aus Karton ausgeschnitten und an das Gebäude gelehnt worden. Ein gewisser Aufmerksamkeitswert ist jedenfalls gegeben. In unmittelbarer Nähe hat man ein unsägliches, läppisches  „Denkmal“ von dem sehr beliebten „Künstler“ Hans Weyringer aufgestellt. Als Symbol für das Fliegen kann man einen aufgespießten Schmetterling bewundern.

Hier verläuft die Stadtgrenze, an die sich auf der anderen Seite der Kreuzung das berüchtigte Airportcenter anschließt. Manches von dem baulichen Chaos ist in jüngerer Zeit geschleift worden. Dafür wurde im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts – britisches Flair wollte man anpeilen - ein Outletcenter errichtet, das von den dort tätigen Verkäuferinnen belebt wird. Kunden sind nur vereinzelt anzutreffen. Dieser Teil von Wals basiert ebenso wie das gesamte Ortsgebiet  auf dem Prinzip des Durcheinanders.

altRaumordnung? Was ist Raumordnung? Nie gehört, dieses Wort.

Zuständig dafür, dass alles erlaubt ist, was Gemeindeeinkünfte in Aussicht stellt, ist der mächtige Bürgermeister Ludwig Bieringer, dem in der Mitte des Airportcenters, nahe der BP-Tankstelle, mit einem Denkmal gehuldigt wird. Dieser Punkt sollte in die Liste der Sehenswürdigkeiten aufgenommen werden.

Die Diagnose der Stadtbesichtigung lautet: Punktuell hat Qualität durchaus eine Chance, aber übergeordnete Gesichtspunkte kommen zu kurz, so dass oft Chaos das Bild bestimmt. Viel hängt von der Besetzung des Gestaltungsbeirats ab. In das internationale Gremium sollten nur die Besten berufen werden. (Ende)

Bilder: dpk-krie

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014