Koran singen!
STICH-WORT
14/04/22 Wo nicht an einen sangeskundigen Laien „ausgelagert“, plagt sich manch katholischer Priester in der Osternacht mit dem Exsultet. Es leitet die Auferstehungs-Liturgie ein. Für Katholiken schlägt zu Ostern, was das Singen anlangt, die Stunde der Wahrheit.
Von Reinhard Kriechbaum
Da flattert eine APA-Meldung auf den Redaktionstisch: In Saudi-Arabien findet ein internationaler Wettbewerb statt, bei dem die „solide Leistung beim Rezitieren des Heiligen Korans und beim Überbringen des Adhan (der Gebetsruf im Islam, Anm.) geprüft wird.
Wer veranstaltet einen solchen Concours de Koran? Die saudi-arabische Unterhaltungsbehörde hat ihn ins Leben gerufen. Sie stelle damit „zwei der berühmtesten und ältesten Klangkünste der Welt in den Mittelpunkt“. Die Geschichte der Koranrezitationen und ihrer erstmaligen Aufzeichnung reicht bis in die Mitte des 7. Jahrhunderts nach Christus. Schon vom Propheten Mohammed wird berichtet, dass er Korantexte gesungen habe. Das verwundert nicht weiter, schließlich müssen wir uns auch die Psalmen Davids rezitiert vorstellen, und die sind – Forschungsunschärfen eingerechnet – wohl zwischen dem 6. und 2. vorchristlichen Jahrhundert entstanden.
Zurück zum Koran- und Gebetsruf-Singwettbewerb: Seit er 2019 ins Leben gerufen wurde, sollen „mehr als 40.000 Teilnehmer aus achtzig Ländern auf der ganzen Welt“ daran teilgenommen haben. „Nach mehreren Qualifikationsrunden und Etappen erreichten 36 Kandidaten die Endrunde. In diesem Stadium ist der Wettbewerb auf die Finalisten beschränkt, zu denen je achtzehn Teilnehmer in den Kategorien Koranrezitation und Gebetsruf gehören.“ Von der Nicht-Teilnahme von Frauen darf man ausgehen, aber wir haben das nicht nachgeprüft.
Der Wettbewerb wird während des Ramadan in der Sendung Duft der Sprache (Otr Elkalam) im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt. Das Preisgeld verblüfft: „Der Gewinner des ersten Platzes mit der schönsten Stimme beim Rezitieren des Heiligen Korans erhält 1,3 Millionen Dollar, während der Gewinner des ersten Platzes beim Sprechen des Gebetsrufs 533.000 Dollar erhält.“
Wer schreibt nun einen Ave Maria-Wettbewerb für uns Katholiken aus? Vielleicht jenes von Gounod/Bach als Pflichtstück? Mit der Hälfte des Preisgelds wären wir auch schon zufrieden. Oder einer Schlussrunde bei The Voice...