Dr. Hohenadl findet eine Haushaltshilfe
SATIRE
04/11/24 Dr. Hohenadl brauchte kein Ranking aufzustellen. Noch war die ideale Haushaltshilfe nicht gefunden. Aber da war ja noch die Kandidatin Magdalena Gantscharoff. Sie machte allein schon, wie sie die Wohnung betrat, einen entschlossenen Eindruck, war um etliches größer als Dr. Hohenadl und hatte eine männliche Ausstrahlung.
Von Werner Thuswaldner
Anfangs sagte sie nichts, sondern ließ Dr. Hohenadl reden. Und dann legte sie in einem überraschend bestimmenden Ton los. Dass sie die Stelle bekommen würde, stand für sie von vorneherein fest. Für sie ging es bloß darum, die Details zu klären. Sie zog eine Mappe aus ihrer Tasche und fing an Dr. Hohenadl zu befragen: Lage der Wohnung, Größe, Art der Böden, Anzahl der Fenster, Größe und Ausstattung der Küche, Einrichtung des Badezimmers und vieles andere mehr. Dr. Hohenadl antwortete und musste am Schluss unterschreiben. Es ging aber nicht bloß um eine „Erfassung“ des Wohnungszustands, es handelte sich um ein Vertragswerk. Festgelegt wurden der Arbeitstag, der Zeitaufwand, der Urlaubsanspruch, die Abgeltung und deren Anpassung und noch weitere Details. Dr. Hohenadl unterschrieb. Nun verlangte Magdalena Gantscharoff eine Besichtigung. Sie machte sich ausführliche Notizen. Gründlich ließ sie sich die Putzutensilien vorführen. Und da bekam Dr. Hohenadl Niederschmetterndes zu hören:
Der Staubsauger sei ein antikes Stück, er solle ihn einem Museum schenken. Dasselbe gelte für das Bügeleisen. Auch die vorhandenen Putzwerkzeuge erklärte sie für absolut untauglich. Statt ihrer verordnete sie die Anschaffung von:
Mikrofaser-Schwammtüchern, einem Profi-Bodenreinigungsset (Klapphalter mit Magnet, Teleskopstiel, längenverstellbar, mit Bodenwischbezug), eine Profi-Bodenwischbezug-Doppelpackung, ein Fenster/Fliesenwisch-Set (Teleskopstiel mit Winkelgelenk), sowie für die Fliesen ein Fliesenwischer-Set mit Kautschuk-Wischplatte.
Unverzichtbar sei ein Dr. Beckmann Putzstein. „Er ist ein Multitalent bei hartnäckigen Verschmutzungen im Haus, Garten, in der Freizeit und im Auto, denn er reinigt, poliert und konserviert in einem Arbeitsgang und hinterlässt langanhaltende Reinheit, Schutz und Glanz. Der universelle Reiniger macht mit seinem Abperleffekt die gereinigten Flächen darüber hinaus wasser- und schmutzabweisend.“
Magdalena Gantscharoff überprüfte Dr. Hohenadls Mitschrift und erklärte ihm, dass er die Sachen, soweit es sich um Geräte handelte, innerhalb einer Woche besorgen müsse. Das sagte sie einfach so dahin, weil sie nicht ahnte, was sie Dr. Hohenadl damit an Überwindung abverlangte.
„Die Putzmittel werde ich auf Ihre Rechnung selbst anschaffen. Diese Arbeit nehme ich Ihnen ab.“
Dr. Hohenadl war unfähig, etwas darauf zu sagen. Als sie gegangen war, überlegte er, an wen sie ihn mit ihrer Stimmlage und ihrer Gestik die ganze Zeit erinnert hatte. Jetzt fiel es ihm schlagartig ein: an Pater Reinhold, einen Erzieher im Internat, einen strengen, unangenehmen Mann, der unentwegt bedingungslosen Gehorsam gefordert und nicht den leisesten Widerspruch geduldet hatte und der noch viele Jahre später in seinen Albträumen vorgekommen war. Spezialisiert war er auf die Kontrolle der Betten. Jedem „Vergehen“ folgte erbarmungslos die Strafe, immer verbunden auch mit einem Abzug vom Taschengeld.
Dr. Hohenadl machte ächzend die vorgeschriebenen Besorgungen und gab innerhalb einer Woche so viel Geld für den Haushalt aus wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er sah seinen finanziellen Ruin kommen. Vielleicht würde er sich die Wohnung bald gar nicht mehr leisten können. Damit wäre er mit einem Schlag manche Probleme, vor allem Magdalena Gantscharoff, los. Nur würde er dann in irgendeinem Asyl unterkommen müssen. Ein Ausweg zeigte sich nicht. Zu dramatisch spürte er, dass er sich vor Magdalena Gantscharoff keine Blöße erlauben durfte. Er schämte sich vor ihr für den Dreck und die Unordnung, die er anrichtete. Daher machte er sich vor ihrem nächsten Besuch an die Arbeit und brachte die Wohnung auf Hochglanz, soweit dies mit den von Magdalena Gantscharoff abqualifizierten Mitteln in seinem Haushalt möglich war.
Sie tauchte nach einer Woche wieder auf. Sofort musste er wieder an Pater Reinhold denken. Schwer trug sie an einem Korb voller Plastikflaschen, gefüllt mit roten, grünen, gelben, lila und blauen Flüssigkeiten. Dr. Hohenadl warf einen kurzen Blick auf die Rechnung und stöhnte. Sie stellte eine Flasche nach der anderen auf den Tisch und kommentierte:
„Spülmittel, Bodenglanz, Scheibenreiniger, Colorwaschmittel, Vollwaschmittel, Weichspüler, Klarspüler, Glasreiniger, Teppichreiniger, Sanitärreiniger. Für den Anfang wird es reichen, eine Grundausstattung sozusagen. Zur Not haben wir ja den Dr. Beckmann Putzstein“, sagte Magdalena Gantscharoff, während sie den Kaffee trank, den Dr. Hohenadl für sie servierte. Dann ging sie durch die Wohnung, strich prüfend über Schränke und Regale, um zu sehen, ob Staub an ihrem Finger zurückblieb, sah sich die Wäsche an und inspizierte ausführlich das Bad.
„Recht gut für den Anfang“, erklärte sie danach und bat um eine weitere Tasse Kaffee.
„Aber einiges muss noch besser werden. Die Teppiche müssen dringend allesamt in die Reinigung. Die Fugen zwischen den Fliesen im Bad sind nicht wirklich sauber. Ein eigenes Kapitel sind die Fenster und die Spiegel im Bad. Ja, die Glasflächen sind ein Schwachpunkt, daran muss noch gearbeitet werden.“
Sie ließ offen, wer daran würde arbeiten müssen. An dieser Stelle hätte er Klartext sprechen müssen. Wofür hatte er sie denn engagiert? Damit sie bei ihm Kaffee trank? Um ihn zu belehren, wie eine Wohnung zu putzen war? Doch wohl nicht. Aber er sagte nichts dergleichen, sondern blieb höflich, bis sie sich verabschiedete und er ihr in einem Kuvert die vereinbarte Gage überreichte.
Die Szene wiederholte sich die Woche darauf. Wieder überprüfte sie den Reinlichkeitszustand der Wohnung genau, lobte da ein bisschen, kritisierte dort mit Nachdruck.
„Ja, ein gewisser Fortschritt ist durchaus zu erkennen“, resümierte sie.
Hätte er sich freuen sollen? Er war verzweifelt. So ging es weiter, bis zu einem Dienstag, an dem sie nicht kam, sondern bloß anrief. Sie sei diesmal verhindert, sagte sie. Er solle aber deshalb ja nicht nachlässig werden. Eine Wohnung wie seine vergammle nämlich im Handumdrehen.
„Denken Sie an das Bad! Die Stelle unter den Waschbecken ist heikel. Und im Schlafzimmer das Leintuch im Bett war letztes Mal nicht gespannt genug. Das werde ich mir beim nächsten Mal genau ansehen.“
Dr. Hohenadl fühlte, dass er in einer Falle saß. Jetzt hätte er einen Tobsuchtsanfall kriegen und ins Telefon hineinprüllen sollen. Stattdessen sagte er nur ganz leise:
„Ja, ja. Selbstverständlich, gnädige Frau. Danke.“
Vorsichtig legte er den Hörer auf.
Werner Thuswaldners Prosaband „Die Welt des Dr. Hohenadl. Ansichten eines gelernten Österreichers“ ist 2019 bei Ecowin erschienen
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Aus dem produktiven Leben eines Knauserers