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Das Morden kommt von Herzen

LANDESTHEATER / ARTURO UI

23/02/25 Als eine „Historienfarce“ bezeichnete Bertolt Brecht sein Stück Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui. Es ist also nicht abwegig, die Parabel auf die Machtergreifung Hitlers nicht nur als trockenes Lehrstück zu lesen, sondern die siebzehn Szenen auch in ihrer (leider sehr realen) Bizarrheit zu zeichnen. Aber muss gleich ein Clownstück draus werden?

Von Reinhard Kriechbaum

Genau das hat Regisseurin Alexandra Liedtke im Salzburger Landestheater gemacht. Eine rote Showtreppe führt von halber Bühnenhöhe hinab bis in den Orchestergraben (Bühnenbild: Philip Rubner). Darauf tummelt sich eine große Gruppe von Menschen mit angedeuteter Weißclown-Schminke im Gesicht. Gleich zu Beginn in Szene gesetzt Arturo Ui, mit blutbefleckten Händen. Der Obermafioso, dessen eigentlich immer durchschaubare und doch sinistre Machenschaften als große Rückblende erzählt werden. Szene um Szene wird Lehrreiches als Text projiziert, und das ist wohl notwendig. Wir alle wurden und werden ja hinlänglich mit Wissen über den Holocaust bombardiert, wogegen man auch in Schulbüchern herzlich wenig erfährt über die Mechanismen hinter Hitlers Machtergreifung. Deshalb ist Arturo Ui ein wichtiges Lehrstück. Brecht thematisiert die Rolle der Wirtschaft, das hinterhältige Lavieren zwischen erst fast unauffälligen Winkelzügen und Erpressungen, dem Zeichnen von Bedrohungs-Szenarien, denen alsbald reale Brandstiftung und politische motivierte Morde folgen.

Ganz entscheidend beim Großmachen eines jeden Diktators ist die Wirtschaft. Man ertappt sich bei der Beschäftigung mit Brechts Arturo Ui beim Gedanken: Nachhaltiger als Gedenksteine auf unseren Gehsteigen wäre profund vermitteltes, einschlägiges Wissen um den Zusammenhang zwischen Finanzkraft und unkontrolliert sich gerierender Macht. Auf den Schultern der Oligarchen in Ost und West stehen nicht nur Trump, Orban und Putin. Wir haben ja auch gerade Koalitionsverhandlungen erlebt, in denen die Industriellenvereinigung ein gewichtiges Wort mitgeredet hat. Deren und Kickls Sache war vorerst „aufhaltsam“...

All das auf der Showtreppe im Landestheater als Folge von Clown-Nummern. Hyperaktiv wuselnde, als Einfaltspinsel, Duckmäuser, Mitläufer, berechnende Agitatoren oder Bösewichte verkleidete Bühnen-Weißclowns, während unsere reale Welt gerade von Social-media-gestützten Braun-Clowns unterminiert wird. Man will das Theatertreiben beinah als kindisch einstufen.

Das ganze Ensemble ist mit Herzblut bei der Sache. Es wird outriert auf Hitler-komm-raus. Übertrieben und damit verkleinert, verharmlost. Das beginnt bei der Trias der Karfiol-Vermarkter (Tina Eberhardt, Marco Dott, Axel Meinhardt), die einen Gutmenschen (Christoph Wieschke als Dogsborough alias Hindenburg) als Handlanger suchen. Der gaunerkarrieresüchtige Arturo Ui blitzt nur kurzzeitig ab, weil sich der vermeintliche Gutmensch als anfällig für Bestechung gezeigt, also auch Dreck am Stecken hat. Er ist erpressbar. So greift ein Zahnrädchen ins andere. Arturo Uis Werkel hat oft Sand im Getriebe. Maximilian Paier in der Titelrolle kann dann sein Clownsgesicht zur ganz ganz armen Grimasse verziehen. Aber als „Macher“ findet er mit untrüglichem Machtinstinkt Auswege. Die Widersacher werden nolens volens zu Mitspielern. Das heißt mit modernen Worten oft „Partikularinterressen“, die Ui virtuos für sich zu nutzen weiß.

Eine luxuriöse Klamauk-Szene bieten der als Video eingespielte Michael Maertens als Provinz-Schauspiellehrer und Maximilian Paier, der als gelehriger Schüler die Vorgaben ungelenk imitiert. Auch Hitler hat ja Schauspielunterricht genommen.

Su Bühler hat anschauliche Kostüme erdacht. Die Arturo Ui umgebenden Gefolgsleute, der smarte Ernesto Roma/Röhm (Gregor Schulz) und die Schlägetrtruppe tragen entweder kautschukglänzende oder (in den USA einst beliebte) großkarierte Hosen. Es einen die schweren Stiefel, die alles zu zermalmen drohen, wo sie auch hintreten.

Für uns natürlich ein wichtiger Aspekt im Stück ist, wenn der Führer seine Klauen nach dem Dorf Cicero ausstreckt, Sinnbild für den Anschluss Österreichs. „Gott schütze Cicero“ wird die Witwe des Ortschefs Dullfeet/Dolfuß sagen, nachdem dieser hat dran glauben müssen. Und an Ui gerichtet: „Ihr Morden kommt von Herzen.“ Ein bizarres Trachtenpärchen übrigens, die Dollfeets. Sogar ein paar Platzanweiser und Garderobendamen müssen als Ciceroianer antreten. Trotz anfänglichem Widerstand reißen zuletzt alle ihre Arme für Ui, für den Diktator hoch.

Die politischen Botschaften sind eindeutig und ohnedies nahe liegend. Die Interpretation von Alexandra Liedtke kann man im Prinzip eins zu eins auf Wikipedia nachlesen. So viel auch auf der Bühne gezappelt, gestolpert, herumklamaukt wird: Brechts Text kommt vor allem laut rüber. Zwischentöne sind dieser Aufführung Sache nicht. Das lähmt letztlich. So viel Betriebsamkeit, und doch ziehen sich die zweieinhalb Stunden.

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, heißt es im Epilog. Und dazu gibt's wieder Textprojektionen bis herauf zur Causa Schimanek und AfD. Sache verstanden. Aber hat sie uns wirklich gepackt? – Eine Gruppe von völlig außer Rand und Band geratenen Claqueuren rechts hinten im Parkett hat am Premierenabend fast peinlich die allergrößte Publikums Begeisterung vorgetäuscht. Aber freilich, sich gerade jetzt mit dem Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui zu beschäftigen, ist gut und wichtig.

Aufführungen bis 13. Juni – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall

 

 

 

 

 

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