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Was für ein eigenwilliger Fäden-Mensch!

FESTIVAL PUPPETS! / IDENTITATS

26/10/24 Eine Marionette, das ist „keine Maschine, kein Roboter“, sagt der katalanische Puppenspieler Carles Cañellas. Auch „kein Instrument“. Ein zweites Ich vielleicht? Jedenfalls ein starker, eigenwilliger Charakter. Von dem kriegt er, der Fädenzieher, im Stück Identitats sogar mal einen Fußtritt.

Von Reinhard Kriechbaum

Identitats – da ist man versucht, vom Inbegriff von Fädenpuppenkunst überhaupt zu sprechen. Ein Spieler und seine Gliederpuppe aus weiß lasiertem Holz. Ist dieses kleine Lebewesen ohne Gesicht erst mal aus dem roten Samtsack geschlüpft, macht es sich daran, Körperteil um Körperteil an sich selbst zu erforschen. Wie mühsam ist es doch, sitzen, knien, gehen gar zu lernen!

Aber das sind ja erst die Basics. Aus einer umgehängten Tasche und später aus einer Schachtel holt Carles Cañellas eine Gesichtsmaske um die andere. Mit staunendem Mund bewegt sich sein Schützling tastend durch die gerade vor zehn Minuten betretene Welt. Befindlichkeiten und Charaktere werden nach und nach durchgespielt. Wie ist die Körperhaltung jemandes, der mit pessimistischem Gesichtsausdruck durchs Leben geht und misstrauisch um sich äugt? Ist er ein Grübler, der lustlos daher schlurft, oder gar ein bekennender Fatalist, der den Kopf in den Sand steckt? Als Smiley jedenfalls lebt es sich entschieden leichtfüßiger. Da sind hopsende Schritte drin und ausgelassene Luftsprünge.

Eine rote Nase aufs Gesicht, und schon mutiert das Wesen zum Zirkusclown, dem die Herzen sowieso zufliegen. Da möchte man kaum glauben, dass diese Marionette vor ein paar Minuten als rechter Grantscherben trotzig herumgestakst und zornig auf dem roten Samt herumtrampelt ist, auf dem er sich als junge Gliederpuppe dereinst wohlig ausgeruht hat. Ja, dieser Griesgram wendet sich sogar zornig gegen seinen Führer, teilt sogar einen Fußtritt aus.

Das gut einstündige Spiel der Identitäten und Stimmungsschwankungen lässt uns nachdenken darüber, was wir einnehmend oder abstoßend finden – an einer solchen Puppe wie an unseren Mitmenschen. Carles Cañellas liefert mit Identitats ein Miniatur-Panoptikum, in dem die große Menschenwelt ihre Probe hält.

Wahrscheinlich brauchte es gar nicht die abstrakten Videoprojektionen im Hintergrund, sehr wohl aber die feine Minimal-Music, zu der alle Bewegungen gar wunderbar passen. Wird diese Gliederpuppe zu einem finalen Furioso ausholen? Das Ende kommt unerwartet, denn auch eine Marionette hat ein solches. Hände gefaltet und pietätvoll hinein in einen schwarzen Sack. Traurig, aber es ist eben das Leben, das hier spielt. Und ein solches währt bekanntlich nicht ewig.

Bilder: www.rocamorateatre.com

 

 

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