Turnschuh-Schwärmer liebt Barfüßerin
MARIONETTENTHEATER / ROMEO UND JULIA
25/10/24 „Verliebte auf Spinnenfäden“ heißt es einmal so schön im Text. An den feinen Fäden hängen jetzt im Salzburger Marionettentheater Romeo und Julia. Zwei, die so gar nicht ins jeweilige soziale oder familiäre Umfeld passen und notwendigermaßen scheitern.
Von Reinhard Kriechbaum
Romeos Kumpanen traut man zu, dass sie es waren, die die Stadtmauer von Verona über und über mit Graffiti besprüht haben: Benvolio und Mercutio sind lässige Typen, zu denen der meist ein paar Schritte abseits stehende Romeo in dunkler Hose und dunklem Pullover so gar nicht passen will. „Du Jammerkater hast den Katzenjammer“, muss er sich von seinen Freunden sagen lassen. Die weißen Turnschuhe sind wohl das Einzige, das ihn ins Heute setzt.
Die rothaarige Julia, in einem fast altmodischen grünen Kleid, ist bloßfüßig unterwegs. Sie muss sich von ihrer Mutter öfters mal ermahnen lassen, doch endlich die Schuhe anzuziehen. Die Eltern Capulet sind nämlich ordentlich altmodische Spießer. Ein Ehepaar-Porträt hängt an der Wand.
Wir kennen die Geschichte und wissen, wie sie ausgeht. Regisseur Thomas Reichert, der nicht zum ersten Mal im Marionettentheater arbeitet und weiß, wie die Puppen und ihre Fädenzieher ticken, hat Shakespeares Klassiker auf anderthalb Stunden eingekocht und eine saloppe Textfassung gemacht. „Die hören nicht auf, es ist zum Verrücktwerden“, sagt Romeo kopfschüttelnd, als es wieder mal wüst zugeht in Veronas Gassen, weil die Montagues und Capulets sich die Köpfe einschlagen.
Ein bezauberndes Gesamtkunstwerk konnte man da erstmals am Donnerstag (24.10.), am ersten Tag des Puppets!-Festivals, im Marionettentheater bestaunen. Reichert hat die Marionetten-Illusion immer wieder aufgebrochen: Die Puppenspielerinnen und -spieler dürfen sichtbar werden, und wir können staunend zusehen, wie die kleinen, feinen Gesten gemacht werden. Das fordert allemal Respekt ein. Die Geschichte wird geradlinig erzählt, und es darf natürlich auch das eine oder andere ironische Aperçu nicht fehlen.
Wie raffiniert da doch mit dem Licht gearbeitet wird, und wie delikat der Soundtrack erdacht ist – eine Freude von Szene zu Szene. Recht traurig sitzt Julia am Pianino und schlägt immer wieder den gleichen Ton an. Die Diskussion, ob's nun die Nachtigall oder die Lerche war, ufert fast aus – frisch Verliebte kümmert eben nicht, was sich mit einem Blick durchs Fenster rasch eindeutig klären ließe!
Für das akustische Environement hat man keinen Aufwand gescheut. Den Text hat man in München aufgenommen, mit Juliane Köhler, André Jung und anderen Namhaften. Das kommt flauschig und locker daher, ohne gekünstelte Dramatik. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, weil die Verhältnisse rundum eben so gar nicht passen. Geht trotzdem verlässlich unter die Haut, egal, ob's originaler Shakespeare, West Side Story oder eben Fädenpuppenspiel ist. Romeo und Julia im Marionettentheater hat von allem was. Muss man gesehen und ausgekostet haben.