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Das Küken muss ein Pinguin sein

WINTERFEST / CIE LE CUBITUS DU MANCHOT

30/11/12 Dr. Frank N. Furter aus der Rock Horror Show ist endgültig durchgeknallt und hält sich für ein Huhn. Der erste Mord verstärkt diesen Eindruck. Doch nach einer Viertelstunde löst sich, was ein düsteres Psycho-Spektakel zu werden drohte, in einen Zirkusabend voller Poesie und Leichtigkeit.

Von Heidemarie Klabacher

Den Hula Hoop-Reifen nimmt man ihm dennoch immer wieder weg, als ob er auch damit was Dummes anstellen könnte (einen Kollegen köpfen, oder so). Dann reicht es den anderen, und der längste und dünnste Mann in der Runde (der mit der feinsinnig nach oben gestylten Stirnlocke), bekommt das schwere Cyr Wheel zum Hüftkreisen. Den spöttischen Blicken zum Trotz schafft er es, das überdimensionale Rad in Bewegung zu setzen.

Witzig, wie diese Truppe quasi nebenbei mit Klischees spielt: Während der zum Erbarmen dünne Frank N. Furter (ich nenne ihn nur so, die Figuren haben keine Namen) gerade einen Schwächeanfall hat, macht er locker zwei Dutzend Liegestütze mit einem Arm…

Die anderen haben aber auch keinen leichten Stand. Der eine wird öfter mal ermordet oder fällt sonst wie tot zu Boden. Doch ein leichter Tritt in den unteren Rücken mit Hilfe des Tetterboards macht auch den totesten Mann wieder munter. Das hätten die Zwerge mit Schneewittchen probieren sollen: Die Leblose unten auf das Schleuderbrett legen, die Zwerge springen gemeinsam auf die obere Hälfte… Weniger Gedränge auf dem Schleuderbrett herrscht auch in der Produktion „Ballett Manachot“ beim Winterfest nicht.

Es ist einfach atemberaubend, welche Kapriolen, Überschläge und Schrauben diese wunderbaren Artistinnen und Artisten hoch oben in der Kuppel schlagen – „abgefeuert“ von dem scheinbar uralten, klapprigen und scheppernden Tetterboard, das schon bessere Tage gesehen hat. Der natürliche Weg einer Dame auf die Schultern eines Herrn führt durch die Lüfte. Mit Eleganz und Leichtigkeit.

Die Präzision und Schwerarbeit hinter der Performance ahnt man als Zuschauer höchstens. Die scheinbar kreuz und quer landenden und abspringenden Artisten werden vom „Bodenpersonal“ vor dem jeweils nächsten Start im Sekundenabstand mit knappen festen Griffen präzise auf dem Brett positioniert. Wie gefährlich diese Übung in Leichtigkeit sein muss, zeigte sich in dem Sekundenbruchteil, in dem einer der Artisten offensichtlich ein paar Zentimeter oberhalb des richtigen Punktes gelandet und damit der ideale Hebelarm für den nächsten Start nicht mehr gegeben war: Sofort war die Truppe bei der Hand, den Nächstlandenden zu bremsen. Atemberaubend.

Der Hula Hoop-Reifen bleibt ein Leitmotiv: In einer urkomischen Fahrrad-Nummer holt man damit den Fahrer vom Sitz. Ein Mann bewegt ein Klavier quer durch die Manege und das hat verheerende Auswirkungen auf  die Reihenfolge der Tasten. Ein hübscher Konterpart zur Karikatur der Kraftmeierei: Beim Tango bleiben die Arme der Akrobatinnen leer, weil es die Männer stärker in die Arme von Ihresgleichen zieht. Damit spielt man voll Witz und Ironie und einer erfrischenden Portion politischer Unkorrektheit mit Geschlechter-Stereotypen. Man hängt eine Dame nicht einfach ins Gestänge!

Die Musikerinnen und Musiker von Cie Le Cubitus du Manchot leisten gleichwertigen und unverzichtbaren Anteil zur grandiosen Performance.

Warum sich die zentrale Figur für ein Küken hält, hat sich bis zum Schluss nicht recht erklärt. Das Küken-Motiv zieht sich jedenfalls konsequent durch den Abend, sogar die Damen beim Einlass begrüßen das Publikum im Geflügel-Outfit. Warum? Wir haben nachgeschlagen. Unter "manchot" steht im Französisch-Langenscheidt "einarmig, einhändig; ungeschickt, linkisch; Krüppel mit einem Arm oder einer Hand; ungeschickter Mensch; Pinguin". Pinguin, das muss es sein. Denn ungeschickt sind sie nicht. Und Geheimnis muss auch sein.

Heute Freitag (30.11.) folgt um 19.30 im Circuszelt beim Winterfest 2012 schon die zweite Premiere: Der "Cirque inextrémiste" präsentiert als Österreichpremiere die Produktion „Extrêmités“ - www.winterfest.at
Bilder: www.lecubitusdumanchot.fr / Damien Bossis 


 

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