Sie konnten zusammen nicht kommen
WINTERFEST / CIE CIRC’ OMBELICO
05/12/12 Viel Platz ist nicht. Auf der hintersten der sieben leicht ansteigenden Reihen im Transportraum des uralten Lastwagens muss man den Kopf einziehen. Gezählte 32 Personen erlebten das ebenso poetische wie traurige Beziehungs-Märchens „Da/Fort“ beim Winterfest.
Von Heidemarie Klabacher
Die beiden Artisten haben auf den verbleibenden zwei Quadratmetern auch nicht viel Platz. Dennoch ist „Da/Fort“ echter Zirkus: Der winzige Bühnenraum spielt die überraschendsten Stückerln. Die Wände sind ganz im Stil der Siebzigerjahre trostlos erbsgrün- und ockerfarben tapeziert und haben unzählige Türen und Türchen, Fenster und Luken. Der Plafond kann geöffnet und der Boden abgesenkt werden: Da tut sich nach oben Raum auf für einige Trapeznummern – und nach unten ein wahrer Abgrund. Unüberbrückbar.
Sie haben einander gründlich satt. Das sieht man auf den ersten Blick. Sie strickt, er stiert frustriert vor sich hin. Der Schal ist schon verdammt lang. Auch das gestrickte Outfit der beiden (Spielhöschen, wie sie die Babys vergangener Zeiten trugen) zeugt von einer langen Gesichte gegenseitiger „Be-Strickung“ und zunehmender „Ver-Strickung“.
Zunächst leuchten im sprachlosen Nebeneinander der beiden wunderbaren Artisten Jef Naets und Iris Carta noch Augenblicke voll Poesie und Zauber auf. Wie schafft er es nur, die lose gewickelte Wolle abzurollen, ohne dass sie sich verheddert? Ein Apercu. Ein Augenblick. Schon vorbei.
Sie verschwindet ständig, ist überhaupt die treibende Kraft Richtung Beziehungs-Abgrund. Das muss man leider auch als weibliche Zuschauerin betonen. "Sie", eine zierliche Artistin vom Typ Zirkusprinzessin, entschlüpft durch die kleinsten Öffnungen in der Wand. Wundersamerweise passt auch "er" – ein gestandener Artist, der in anderen Zirkusproduktionen in der Menschenpyramide ganz unten stehen würde - durch die kleinen Luken. Auch er verschwindet. Zurück kommt – natürlich aus einem ganz anderen Türchen weiter oben oder weiter unten – ein einzelnes weibliches Bein. Daran zerrt der männliche Arm und zieht die Artistin aus der Wand. Balnciert für eine kleine Äquilibristik-Nummer hoch über Kopf. Er blickt dabei verzweifelt, sie störrisch. Doch beide fügen sich in ihr Schicksal: Man ist halt wieder zusammen. Kleinste duftige Episoden – auch ein kleiner lieber Hund mit Strickmasche lugt aus einem der Türen – fügen sich zum Puzzle einer Tragödie.
In einem Verzweiflungsausbruch geht er die Wände hoch. Auf Händen natürlich. Hoffnung schöpft man aus der Episode mit der Tanzstunde vom Band: Zuerst gibt es präzise Anweisungen für die Schrittfolge: „Lang, kurz, kurz...“ Die Stimme (es sind die einzigen gesprochenen Worte der Produktion) lädt zum lockeren Tanz im „causal style“: Prompt führt der Herr die Dame ebenfalls die Wände hoch. Es ist ganz selbstverständlich, wie sie die Wand entlang tanzen. Wie tanzen Sie? Trügerisch ist die Hoffnung auf ein Happy End. Der Boden schwindet. Die beiden ausfahrbaren Notsitze vom Anfang werden zur Klippe über dem Abgrund... Tod-trauig. Traurig-schön.