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Nett, aber warum überhaupt

LANDESTHEATER / DIE SCHNEEKÖNIGIN

04/11/24 In einem Punkt treffen sich die unzähligen Versionen und Bearbeitungen von Hans Christian Andersens Märchen Die Schneekönigin – in der Liebe als höchste erlösende Kraft. Eine weitere brandneue Variante des Stoffes bietet das Landestheater mit einem Kindermusical von Carolin Anna Pichler. Am Sonntag (3.11.) war bejubelte Uraufführung.

Von Erhard Petzel

Hans Christian Andersens Einstieg in sein Märchen von 1844 ist wie eine zukunftsweisende Parabel auf heute: Ein Kobold entwickelt einen Spiegel, der das Gute löscht und das Schlechte verstärkt. Seine Schüler bringen ihn unter die Menschen mit der Propaganda, man könne damit die wahre Natur der anderen erkennen. Nachdem er auf Erden genug Unheil gestiftet hatte, sollte der Spiegel in den Himmel kommen, zerbirst aber in unzählige unselige Stücke. Der Knabe Kai wird von zwei Splittern in Herz und Auge getroffen. Nichts davon in der Uraufführung am Sonntag (3.11.) im Landestheater. Dort folgt man der Kindern vertrauten Variante von Walt Disney. Spiegel sind dort Portale in die magische Welt, die immer einmal zerbrechen und im Vulkan wieder als Brücke zwischen den Welten zurecht geschmolzen werden können. Aus armen Leuten werden im Musical zwei Töchter aus herrschaftlichem Haus, Gerda, die Freundin Kais, und die Schneekönigin, die das Vaterhaus sang- und klanglos verlassen hatte um es sich kaltherzig-mondän einzurichten.

Es geht also nicht um Tiefe und Katharsis, sondern um ein lustig-buntes Spektakel zum Gaudium von Kindern und denen, die solche werden wollen. Die grundlegende Geschichte bleibt: Gerda macht sich auf zur Schneekönigin, um Kai zu retten, der von dieser entführt wurde. Hilfe kommt hier von komischen Geschöpfen. Da ist der tollpatschige, stets verfressene und immer müde Waschbär Ville (herrlich charakterisiert von Marco Dott), der mehr Chaos sät als er strukturell Probleme lösen könnte. Dennoch bringt er sich und Gerda wundersam den Zielen entgegen.

Dabei stoßen sie auf den Eisbären Soturi (vital akrobatisch Daniel Therrien), der als Diener der Eiskönigin ihr Weiterkommen verhindern soll. Diesem setzen sie den Floh ins Ohr, Tänzer am Broadway zu werden. Ein Orakel gilt es zu finden und befragen, eine optisch äußerst reizende Eule Tundrak (Martin Trippensee, auch die Bediensteten Elias und ein Windläufer). Durch einen magischen Tunnel werden sie in den Eispalast der Schneekönigin gewirbelt.

Der Showdown dort ist dann ein Zickenkrieg zwischen den beiden Schwestern (verständlich, hat die eine der anderen ja eiskalt den Freund ausgespannt und zu ihrem willenlosen Spielzeug degradiert). Man einigt sich, dass alle abziehen dürfen und die Eiskönigin mit ihrem manipulierten, namenlosen Elias-Klon (wahrscheinlich aus Schnee geformt und durch Belebung zum Saugstauben befähigt) in ihrer Pracht und Herrlichkeit zurück bleibt. Anna Rosa Döller als Gerda und Aaron Röll als Kai geben ein lebendiges Kindergespann ab, wobei Röll der Kindszapfen regelrecht auf den Leib geschrieben scheint. Bei der Schneekönigin (Alea Hagedorn) zuhause geht es nur am Schluss unterkühlt zu. Sie scheint regelrecht auf Kais Unterhaltungs künste versessen zu sein und reizt ihn zu allerhand Schnickschnack auf.

Die Handlung treibt sich problemlos und magisch voran und wird durch etliche Songs und Tanzeinlagen erfrischt, die sich glatt in die Erwartungshaltung ans Musical einfügen. Positiv die funktionell schlanke Begleitung statt eines Breitwand-Zuckerlgusses. Auch das unvermeidliche Missverständnis von gepresstem Plärren als Emotionalität hält sich hier in Grenzen. Bezaubernd sind Bühne und Kostüme Vanessa Habibs im Lichtspiel mit Raumtiefen und Projektionen. Astrid Großgasteigers Inszenierung im Zusammenspiel mit den Choreographien Josef Veselys und Kate Watsons erzeugen einen erfreulich-freundlichen Spektakel-Sog mit wirkungsvoll platzierten Lachexplosionen für Klein bis Groß. Mitklatsch-Animation im Musical-Abspann für die Abfuhr von Applaus-Energie ist natürlich eingebaut.

Bleibt die Frage, warum überhaupt der unabsehbaren Menge an bisherigen Umsetzungen und Manipulationen des Stoffes in Film, Buch und auf der Bühne eine weitere Variante hinzuzufügen. Wir stellen die Frage nicht, ist doch offensichtlich viel Freude und Herzenshitze in das Projekt geflossen – unberührt vom im Stück erwähnten aber weiters nicht behandelten Klimawandel.

Die Schneekönigin – Aufführungen bis 11. Jänner 2025 – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Tobias Witzgall

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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