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Das Böse unter uns

LANDESTHEATER / DER FREISCHÜTZ

04/11/24 Carl Maria von Webers Freischütz ist heutzutage nicht ganz einfach auf die Bühne zu bringen. Johannes Reitmeier hat das romantische Werk in der Felsenreitschule am originalen Text entlang inszeniert und bewiesen, dass dies möglich ist. Bilder aus dem deutschen Wald nach dem Dreißigjährigen Krieg? Wohl kaum. Ein zeitloses Stück über eine Prüfungsneurose? Schon eher. Ein liebendes Paar in der Zwangsjacke des Patriarchats? Ganz besonders.

Von Gottfried Franz Kasparek

Der riesige Bühnenraum mit seinen Arkaden wurde von Thomas Dörfler mit weißen Treppen und einem Laufgang über einer schwarzweiß gestreiften Scheibe atmosphärisch gestaltet und von Richard Schlager stimmig mit viel Schatten und Licht ausgeleuchtet. Im Zentrum hängt eine Zielscheibe, die auch als Rahmen für das Bild des Ahnherrn und die Taube dient. Katja Schindowski folgt dieser Ästhetik. Agathe ist ganz in Weiß gekleidet, ansonsten dominieren dunkle Töne.

Die dörfliche Jagdgesellschaft ist eine strenge und einengende Phalanx von Herren und Damen in schwarzen Gehröcken mit Silberknöpfen. Heller sind der Bauer Kilian, der Fürst als smarter Politiker, der Eremit in Grau. Und der teuflische „schwarze Jäger“ Samiel in gleißend rotem Pelzmantel über metallenen schillerndem Silber ist einer aus einer anderen Sphäre. Am Ende des im Grunde konventionell arrangierten Schlusstableaus mit seinen erlösenden Jubeltönen wird er dem begnadigten Max die Büchse des der Hölle gewehten Verführers Kaspar überreichen – ein starker Effekt. Das Böse ist immer mitten unter uns.

Johannes Reitmeier vertraut mit grundsolidem Können und bestechend scharf zeichnender Personenführung auf die Kraft alter Theaterkunst. Dabei wird die Felsenreitschule endlich wieder einmal wirklich als faszinierend archaischer Rahmen verwendet. Dazu kommen die notwendigsten Requisiten als Andeutungen der Schauplätze. In der Wolfsschlucht fährt ein Kubus mit rot tapezierten Innenwänden aus der Tiefe, in und vor dem Kaspar in priesterlich weißem Überwurf eine schwarze Messe abhält und mit dem ängstlichen Max die Freikugeln gießt. Die Jagdgesellschaft tritt, sehr statisch. auch als Geisterchor und Wilde Jagd auf. Das Böse und Amoralische der Natur ist in uns.

Die Natur ist bloßes Zitat, mit Ausnahme der vielen weißen Rosen an den Bühnenrändern, die Agathe Trost und Schutz spenden und so etwas wie die helle Seite der Geschichte darstellen, die im ersten Teil des Abends mitunter ein wenig zu kurz kommt, im dritten Akt jedoch einen Ausgleich findet mit der düsteren Welt. Agathe ist eine wahre Lichtgestalt, dabei im Innersten leidend und gegen die Mauer der erstarrten Traditionalisten mutig, wenn auch letztlich erfolglos anrennend. In einer Ehe mit dem unsicheren Max, wenn es denn dazu kommt, wird sie wohl die stärkere Kraft sein.

Chor und Extrachor des Landestheaters, famos einstudiert von Mario El Fakih, singen mit Energie und Präzision. Leslie Suganandarajah ist ein perfekter Theaterkapellmeister und zeichnet mit dem klangprächtigen Mozarteumorchester viele schöne Details, gekrönt von wundersam fein gezeichneten Soli der Holzbläser, vitalem Blech und dem balsamischen Solocello. Freilich fehlt im Orchestralen manchmal die dem Werk mit seiner zwischen Sprech- und Gesangstexten changierenden Melodramatik die nötige Spannung. Am besten gelingen dem Maestro die Vorahnungen Wagners, insbesondere in der dramatisch dräuenden Wolfsschlucht und im Finale. Athanasia Zöhrer spielt und singt die Agathe mit echter Hingabe und fein timbriertem, zu lyrischen Höhen erblühendem Sopran. Luke Sinclair, als sympathisch haltloser Max das Deutsche bestens beherrschend, dringt mit seinem im Grunde leichtem Tenor zu erstaunlich heldischer Emphase vor („Lebt kein Gott?“).

Andreas Mattersberger ist ein gefährlich schneidig wirkender, dem Teufel verfallener Kaspar mit kernig auftrumpfendem Bariton, Georg Clementi ein charismatischer, pantomimisch mit Geige aufspielender Samiel und fast immer auf der Bühne präsent. Nicole Lubinger gestaltet das Ännchen mit sensiblem, duftigem Sopran und mitfühlender, stets das positive suchender Betulichkeit. Vevheniy Kapitula (Fürst) und Daniele Macciantelli (Erbförster Kuno im Rollstuhl) verkörpern ihre Rollen glaubhaft, haben es aber im Deutschen nicht so leicht, ganz im Gegensatz zu George Humphreys als stimmlich auftrumpfender Bauer Kilian. Martin Summer ist ein würdevoll balsamischer Bass-Eremit. Stimmschön und flink belebt das Brautjungfern-Quartett die Bühne Tetiana Dyiu, Connor Locke, Electra Lochhead, Annika Sandberg. Am Ende großer Jubel für alle einschließlich des Regieteams.

Der Freischütz – Aufführungen des Landestheaters in der Felsenreitschule bis 4. Dezember – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Tobias Witzgall

 

 

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