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Adressbuch der Selbstbespiegelungen

TASCHEN OPERN FESTIVAL

19/11/23 Die zehnte Ausgabe des seit 2005 bestehenden, biennal stattfindenden Taschenopernfestivals feierte am Samstag (18.11.) in der Szene Salzburg Premiere. Zum Jubiläum gibt es ein dickes Programmbuch mit vielen Bühnenfotos und einem vom Künstlerischen Leiter Thierry Brühl und seinem Dramaturgen Hans-Peter Jahn verfassten Rückblick.

Von Gottfried Franz Kasparek

Was das hoch motivierte „Klang21“- Team rund um Cay Bubendorfer immer wieder auf die Bühne stellt, ist ein bemerkens- und immer wieder diskutierenswerter Farbtupfer im Salzburger Musikleben. Im Prinzip geht es dabei natürlich um „Anti-Opern“, um neue Formen des Musiktheaters, immer um ein gemeinsames Thema kreisend. Diesmal also: „Ich mag Max Beckmann … Sophie Calle und andere“.

Der deutsche Maler, ein exzessiver Selbstporträtist, und die französische Konzeptkünstlerin mit ihrem skandalös angeeigneten Adressbuch eines gewissen Pierre D dienen als Gallionsfiguren, sind die Ideenbringer für kritische Betrachtung unserer zwischen überzüchteter politischer Korrektheit und totaler Selbstentblößung in den sozialen (in Wahrheit asozialen) Medien pendelnden Zeitstimmung.

So weit, so gut. Zwei Komponistinnen und drei Komponisten lieferten jeweils etwa zwanzigminütige „Taschenopern“, die man sehr gut auch als Sketches mit schrägem Sound Design bezeichnen könnte.

Am Beginn steht Bernhard Ganders Ich habe ihn nie getroffen für eine mit steril wirkender Verstärkung zu grenzwertigem Jaulen getriebene Sopranistin (achtbar Mimi Doulton), zu deren Satz- und Wortfetzen ein Cellist und ein Perkussionist minimalistische Muster von sich geben. Szenisch wird gleich zu Beginn das Publikum geblendet – offenbar eine unausrottbare Unsitte. Fast den ganzen Abend lang herrscht auf der leeren Bühne mit vereinzelten Requisiten die neue Technik der Stroboskopie vor, einer Art flackernd grellem Blitzlichtgewitter, vor dem übrigens Menschen mit Epilepsie und Herz-Kreislauf-Krankheiten gewarnt werden müssen. Was die ganze Methode in Frage stellt. Die echte Theaterpranke, über die Thierry Bruehl auch verfügt, macht die Sache erträglicher.

Leider raschelt in den meisten Stücken textlich kräftig das mit der Gedanken Blässe und allerlei gestelzten Sentenzen beschriebene Papier. Oliveros Schafe, der Beitrag der in Köln lebenden Belarussin Oxana Omelchuk, erfreut immerhin sprachlich mit sanfter Poesie und musikalisch mit tänzerischem Witz, denn die Komponistin hat tief in die Zitatenkiste der Musikgeschichte gegriffen, von Mozart bis zum Swing-Jazz eine reiche, originell verfremdete Auswahl getroffen und einee kunstgewerblichee, doch effektvollee Partitur geschrieben – für eine stimmlich und gestisch virtuose Sopranistin (Sachika Ito), einen bewegungsfreudigen Schauspieler (Klaus Nikola Holderbaum) und das famose oenm. Oxana Omelchuk erforscht gleichsam ihre eigene, bis in ein Dorf im tiefsten Weißrussland reichende Identität und vermag dabei zu erheitern und sogar zu berühren.

Der Rezensent gesteht, dass er von Julia Mihálys, nach einer Katze Sophie Calles benannten, Stück Souris für eine Sängerin (souverän Hasti Molavian), einen eleganten Schauspieler und brillanten Zigarrenraucher (Christian Sturm), sieben Instrumente und Elektronik nur ein paar ganz lustige Bilder samt stummem Butler (perfekt Sixto Tovar Borja) und Fake News thematisierende Texte, aber nichts aus der dazu aufgebotenen instrumentalen Geräuschkulisse im Gedächtnis behalten hat. Nach der Pause erfreuten, gottlob ohne Mikroports, zwei gestandene Schauspieler, Daniel Sträßer und Michael Günther als sehr glaubwürdige Schicki-Micki-Vernissagenfans mit einem pointenreichen, mitunter ins krachend Unkorrekte wechselnden Dialog von Hans-Peter Jahn über Beckmann und den abwesenden Freund Pierre D.

Dazu hat Alvaro Carlevaro nicht mehr und nicht weniger als griffig-modische Einschübe von Bühnenmusik geliefert. Von Oper keine Spur – eher wehte da ein Hauch von Josefstadt über die nicht allzu sehr in Diskogeflimmer getauchte Bühne. Das Finale bildete das „Musiktheater-Kammerspiel“ namens Zumutung, dessen handwerklich famose Musik der Komponist Stephan Winkler selbst treffend als „angenehmes Unwohlsein“ schaffend beschreibt. Die beiden jungen Sängerinnen Alisa Rotthaler und Annalena Huber wechseln sich ab als „kindliche Soprane“. Diese und der Tenor Christian Sturm spielen allerlei Obskures nach einem Comic und singen im französischen Original ein resignatives, trauriges Gedicht von Michel Houellebecq. Die musikalische Leitung lag in den bewährten Händen von Peter Rundel, der im Rahmen des Gesamtprojekts auch eine Dirigierakademie leitet. Also durften auch zwei begabte junge Leute am Dirigentenpult werken. Rosina Flueckiger hatte bei Oxana Omelchuks Stück mehr zu tun als Etienne Haan bei dem von Carlevaro. Am Ende gab es viel Applaus für alle.

Weitere Aufführungen am Sonntag (19.11.), Montag ( 20.11.) und am Dienstag (21.11.) jeweils um 19.30 in der Szene Salzburg – www.szene-salzburg.net
Bilder: klang21 / Bernhard Mueller

 

 

 

 

 

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