Amore e morte
REST DER WELT / ERL / LA TRAVIATA
17/07/13 Die Premiere von Giuseppe Verdis Veroperung von Alexandre Dumas „Kameliendame“ wurde als letzte Neuproduktion von Gustav Kuhns Eigen-Festival Freitag (12. 7.) stürmisch bejubelt.
Von Horst Reischenböck
„Liebe und Tod“ hatte einst noch der Arbeitstitel gelautet. Bekanntermaßen hängt sich Verdis letzter Beitrag zu seiner sogenannten „Trilogia popolare“ primär daran auf. Gustav Kuhns Deutung vermittelt aber auch das zugrundeliegende Umfeld. Sprich: die sterile Gefühlskälte des Spiels mit Emotionen innerhalb einer High Snobiety. Innerhalb derer entzündet Alfredo Germont in Violetta Valéry erst echte Leidenschaft bis hin zur Hingabe. In den Schoß dieser Gesellschaft kehrt Violetta nach dem durch Gemonts Vater erzwungenem Abschied und wird, ihrer Todeskrankheit wegen, dann letztlich wieder aus ihr isoliert, um in den Armen ihres Geliebten zu verhauchen.
Die Abgehobenheit dieser zeitlosen Gesellschaft unterstreicht und vergegenwärtigt optisch Jan Hax Halamas zweckdienlich einfach gehaltene Szenerie. Ein kalt-blaues Podest, dessen Stufen allerdings auch für Violettas Freundin Flora Bervoix in ihrer bodenlangen Robe fast zum Fallstrick geworden wären. Lenka Radecky kleidete die Weiblichkeit samt und sonders weiß und steckte die Herren in entsprechende Diner-Jackets, aus denen allein Alfredos Rot, als Farbe der Liebe, kontrastierend absticht.
Entsprechend „steril“ zirkelt auch Gustav Kuhns Regie die schlagkräftige Chorakademie der Tiroler Festspiele zusammen mit der Capella Minsk. Er scheut sich auch nicht davor, dann im 2. Bild des 2. Aktes die Matador spielenden Herren, in einer Reihe am Bühnenrand aufgefächert, dem Auditorium ihre Kehrseiten entgegenzustrecken zu lassen. Kuhn konzentriert sich auf das Wesentliche, eben auf die zwischen Alfredo und Violetta aufkeimende Leidenschaft, die in ungezügelten Hass umschlägt und erst schlussendlich wieder Frieden findet. Dann allerdings zu spät, sie rettet die Geliebte nicht mehr.
Die bereits international erfolgreiche Bulgarin Cristina Pasaroiu verkörpert schlank von Gestalt her damit auch visuell von Anbeginn an, dass sie den heutzutage seitens der Medizin längst besiegten Todeskeim der Tuberkulose in sich trägt. Vorerst etwas introvertiert, wohl aus Sicherheitsabstand heraus intensiv attackierende Gefühle ablehnend, vermag ihr Dahinscheiden dann zu Tränen zu rühren. Dazwischen setzte sie ihren geschmeidigen Sopran differenziert und koloratursicher ein.
Der gebürtige Römer Giordano Lucà verkörperte schon den Gegenpart Rudolfo in Giacomo Puccinis „La Bohéme“, reüssierte vor allem aber in der Rolle des Herzogs in „Rigoletto“, auch hier in Erl. Als leidenschaftlich temperamentvoller Alfredo ließ er seinem Tenor vielleicht eine Spur zu ungehobelt die Zügel schießen, gemahnte damit, auch treffsicher in der Höhe lang anhaltend mehr an den „Troubadour“.
Dieser Alfredo wurde von seinem Vater Germont, dem u. a. von Vorbildern wie Renato Bruson oder Leo Nucci geprägten Giulio Boschetti, vokal eindeutig in den Schatten gestellt: voluminös, dadurch mit Leichtigkeit wohl auch ein doppelt so großes Theater als das Festspielhaus füllend. Dunkel, sonor vom Timbre her, formte er beeindruckend, ja grandios die ihm eigentlich nur in einer einzigen Arie zugebilligte Ausdrucksskala. Auch die übrigen Protagonisten – um nur ein paar zu nennen die Flora von Emily Righter, Anna Lucia Nardis Dienerin Annina, Patricio Saudielli als von Violetta nicht erhört dennoch ihr verfallener Graf Gastone oder zuletzt Vashudi Hiranos Dottore – fügten sich vorzüglich ins stimmlich und darstellerisch ausgewogene Ensemble.
Die meisten Protagonisten sind Mitglieder der Accademia di Montegral, stehen also zusätzlöich unter den Fittichen von Gustav Kuhn. Der Dirigent führt sie aufmerksam und exakat, under entlockt den Streichern zart aufblühende Kantilene, führt die Tutti aber leidenschaftlich fast an akustische Grenzen des Raumes. Summa summarum ein beeindruckender, darob auch entsprechend allgemein begeistert gefeierter Beitrag zum Verdi-Jahr.