Herbstliche Landpartie mit Mignon
REST DER WELT / SCHWARZENBERG / SCHUBERTIADE
10/09/12 Der Himmel war schon herbstlich verhangen an diesem Septembernachmittag, aber drinnen im Angelika-Kaufmannsaal in Schwarzenberg stand in Christiane Karg eine leuchtende Frühlingsblüte auf dem Lied-Podium.
Von Elisabeth Aumiller
„Mignon“ hatte die Sopranistin ihrem Programm als Übertitel gegeben. Der erste Teil war Franz Schubert gewidmet und nach der Pause gehörte die Aufmerksamkeit Hugo Wolf. Beide Komponisten haben die Gesänge der Mignon aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ vertont und Christiane Karg stellte den interessanten Vergleich ins Zentrum der beiden Liedgruppen.
Sie ist eine exzellente Liedersängerin. Ihr jugendliches Timbre klingt frei und unkompliziert, dabei verfügt sie über erstklassiges technisches Rüstzeug. Jedes Wort ist verständlich und die Stimme klingt ausgeglichen durch die ganze Tessitura. Fast zu leicht, zu selbstverständlich und damit ein wenig einfarbig, gingen ihr die Töne anfangs von den Lippen, doch in den Mignon-Liedern kam eine wärmere, fülligere Farbe zum Klingen. Karg zeigte, wie sehr sie sich mit Aussagen und Emotion dieser Texte identifizieren kann. Eine klanglich und dynamisch breitere Palette brachte sie bei Wolf ins Spiel. Schmerz und Kummer, Abschied und Sehnsucht färbte sie in den stimmlichen Ausdruck ein und ließ sehnsüchtige Sogwirkung aufklingen: „Dahin möcht’ ich mit Dir, o mein Geliebter ziehn“.
Überhaupt scheint ihren stimmlichen Möglichkeiten Wolfs Klangsprache insgesamt noch besser zu liegen. Innige Töne, fein gesponnen, fand sie in vier Gesängen aus dem „Spanischen Liederbuch“. Äußerst reizvoll wusste sie diese empfindsamen Facetten der Liebe zu gestalten. „Bedeckt mich mit Blumen“ suggerierte betörenden Duft und zugleich tiefe Melancholie.
Und in den schalkhaften Miniaturszenen aus dem „Italienischen Liederbuch“ kam mit schelmischem Ausdruck das Temperament der Opernsängerin zu Wort. Witzig kokettierte sie in Klang und Mimik und hauchte den kleinen Kabinettstücken Leben ein, ein bisschen spöttisch und ironisch und doch so liebenswert: „Du denkst mit einem Fädchen mich zu fangen? ….Ich bin verliebt, doch eben nicht in Dich.“ Köstlich und erfrischend ging sie um mit Wort und Ton, so ganz aus dem Geiste der Musik geschöpft und mit der Stimme elegant und unforciert serviert. Ihr zur Seite Wolfram Rieger am Klavier, wunderbar inspirierend und tonmalerisch mitgestaltend. Jede Note behandelte der Pianist wie ein kostbares Juwel und machte aus dem klingenden Mosaik doch ein Ganzes im Verein mit der Sängerin.
Kammermusik vom Feinsten brachte dann das Cuarteto Casals, dem dritten seines Schubert-Zyklus bei der diesjährigen Schubertiade. Zwei Jugendwerke, die Quartette D-Dur D 94 und B-Dur D 68 waren kombiniert mit dem d-Moll-Quartett D 810 „Der Tod und das Mädchen“.
Das spanische Streichquartett begann vor 15 Jahren seine Karriere mit Schubert und kehrte jetzt nach 15 Jahren wieder zu den Schubert-Quartetten zurück, deren es 15 an der Zahl gibt. Die Affinität zu diesem Komponisten ist stark bei den vier Musikern, Vera Martínez Mehner, Abel Tomás Realp, Jonathan Brown und Arnau Tomá Realp. Die beiden Jugendwerke nahmen in fein balanciertem Zusammenspiel und agilen Tempi liebenswerte Gestalt an. Beim Quartett „Der Tod und das Mädchen“ beeindruckten die Spanier mit reifem, verinnerlichten Musizieren von erhabener Schönheit und berührendem Ausdruck. In erlesener Tonqualität formten sie Schuberts bewegende musikalische Aussage in schlichter, klar strukturierter Linienführung, ausgewogen, transparent und dabei von starker Empfindsamkeit und Gefühlsintensität getragen.