Heißblütige Opern-Damen
REST DER WELT / INNSBRUCK / FESTWOCHEN DER ALTEN MUSIK
07/08/12 Die Gattung Oper war noch jung. Der in Neapel tätige Komponist Francesco Provenzale galt den Zeitgenossen als „Monteverdi des Südens“. Seine Oper „La Stellidaura vendicante“ (Die Rache der Stellidaura) eröffnet am Mittwoch (8. 8.) die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.
Er war der musikalische Regent Neapels zur Zeit des spanischen Vizekönigtums im 17. Jahrhundert: Francesco Provenzale (1624 -1704), aufgestiegen vom Konservatoriumsdozenten und Kirchenkapellmeister bis zum Leiter der Real Cappella di Palazzo. Das Opernleben der Stadt brachte er nicht nur mit seinen eigenen Kompositionen in Schwung (zwei Werke sind erhalten), sondern auch mit seinem selbstlosen Einsatz für Werke aus dem Opernmekka Venedig. Seine „Duftmarke“ in der Musikgeschichte: Francesco Provenzale Der Neapolitaner führte in eigentlich ernste Sujets komische Figuren ein, die im Dialekt singen. Mit dieser Eigenart prägte Provenzale für lange Zeit den Theaterstil und die Blüte der Commedia dell’arte in der Stadt am Vesuv.
Eine der komischen Dienerfiguren löst in der heißblütigen Liebesgeschichte, in der zwei Edelmänner um die schöne Stellidaura rivalisieren, allein dadurch die größten Verwicklungen aus, dass er im kalabresischen Dialekt singt. Keine der anderen Figuren, die alle italienisch singen, versteht den Diener wirklich, „und ich übrigens auch nicht“, schmunzelt der Römer De Marchi. Umgekehrt tut sich auch der Diener schwer, die Anweisungen in italienischer Sprache zu begreifen, wodurch zunächst ein Liebesgeständnis bei der falschen Person landet, aber zu guter Letzt der Titelheldin Stellidaura, die wegen eines Mordanschlags auf den Rivalen ihres Liebhabers zum Tode durch Gift verurteilt wurde, das Leben gerettet wird. Denn der Diener verwechselt links und rechts und damit das tödliche Gift mit einem harmlosen Schlafmittel. Das Happy end ist gesichert. Komik besiegt Tragik.
Vier szenische Produktionen werden diesen Sommer in Innsbruck auf die Bühne gebracht. Die Festwochen der Alten Musik dauern bis 26. August. Opern-Schauplätze sind das Tiroler Landestheater, der Spanische Saal von Schloss Ambras und der wunderbare intime Innenhof der Theologischen Fakultät. Starke Frauen durchwegs, die verführerisch um Liebe, aber auch um Herrschaft kämpfen: Neben der heißblütigen Neapolitanerin Stellidaura die schöne Helena in Bontempis Oper „Il Paride“, die machthungrige Poppea in Monteverdis letztem Opernwerk, und die Gesangsschülerin Dirindina, die sich in einem Intermezzo Domenico Scarlattis von zwei Musikern umgarnen lässt. Monteverdis „L’incoronazione di Popea“ ist eine Produktion im Festwochen-Format „Barockoper:jung“, man hört Sängerinnen und Sänger des Cesti-Gesangswettbewerbs 2011.
Ein Motto der Konzerte und Opernaufführungen: die Auswirkungen von populärer, volkstümlicher, traditioneller Musik der Barockzeit auf komponierte Musik. Die Reise wird zu volksmusikalischen Quellen und in ku?nstlerisch eindrucksvolle Klangregionen quer durch Europa, von der iberischen Halbinsel über Italien, Österreich, Deutschland, Ungarn und den slawischen Raum bis auf die britischen Inseln und sogar nach Übersee führen. Die Künstler ließen sich besonders gerne vom Reiz des Fremden anziehen, etwa italienische Komponisten, wenn sie den rauen Charme schottischer Melodien einkomponierten. Wahre Abenteurer waren es, die überhaupt auf andere Kontinente aufbrachen, Missionare, die den katholischen Glauben und damit aber auch die europäische Kultur und deren Musik bis nach China und nach Lateinamerika trugen. Damit ging wiederum die Entdeckung unbekannter Schönheiten fremder Kulturen einher. Von solchen Begegnungen und Verknüpfungen der Kulturen in Fernost, am Äquator und in der alten Welt wird zu hören sein: Weltmusik von einst, gewachsen mit regionalen Wurzeln.