Brabant in Tirol
TIROLER FESTSPIELE ERL / LOHENGRIN
09/07/2012 Wer nach Erl fährt, den erwartet „Wagner pur“. Begeisterung und Jubel gab es nach der Premiere von „Lohengrin“ am Freitag im Passionsspielhaus von Erl. In- und ausländische Fans bejubelten besonders Maestro Gustav Kuhn.
Von Horst Reischenböck
„Lohengrin“, der Inbegriff der romantischen Oper, war und ist eine der erfolgreichsten und meist gespielten Opern Richard Wagners. Erfolg bescherte der Schwanenritter auch Gustav Kuhn, der ja nach und nach alle großen Bühnenwerke ins Passionsspielhaus hievte. Nun er ging er mit Lohengrin in die Zielgerade seines persönlichen Zyklus auch der „kleineren“ Trias an Vorläufern. Und das rechtzeitig vor dem des 200. Geburtstags Richard Wagners.
Kuhns Intention war und ist es, Handlungen geradlinig und schlüssig zu erzählen. Das Konzept geht auf. Von gelegentlichen „Unebenheiten“ abgesehen – wie diesmal etwa Lohengrins Schwan: Wie eine Odette aus dem Schwanensee schwarz gekleidet, tanzt ihn die Ballerina Claudia Czyz. Diese freilich kann sich zum Schluss – von der Optik her - beim besten Willen nicht in Elsas Bruder Gottfried verwandeln.
Die Kämpfe zwischen dem Schwanenritter und Telramund verlaufen nur pantomimisch angedeutet. Ein weiß gekleidetes Kind gegen Ende steht dann als Symbol für die vom Himmel herab schwebende Taube. Sehr hübsch übrigens „Treulich geführt“ die Erler Kinder in Hochzeitsgewändern.
Summa summarum: Kuhn hat wieder ein Werk unverschnörkelt, unbefrachtet und dadurch spontan einleuchtend optisch umgesetzt. In karger Szenerie von Jan Hax Halama, die mit Sitzbänken für den Chor, dem in der Burg von Antwerpen nötigen Balkon und danach, im 3. Aufzug, einer zentralen Liege das Auslangen findet. Musikalisch bewegt sich das ganze obendrein auf durchaus hohem Niveau - Festspielen würdig.
Das Fundament bildet wieder einmal das international besetzte und von Gustav Kuhn zusammen geschmiedete Orchester der Tiroler Festspiele Erl: Von esoterisch gehauchten ersten Geigentönen über subtil in sich abgemischte Holzbläserklänge bis hin zu prachtvoll gerundetem Blech. Bekrönt durch ein Trompetenquartett, das zu Zeiten auch von außen herein in den Saal schmettert. Sie alle sind in der Lage, Gustav Kuhns stringente Sichtweise perfekt umzusetzen.
Ein gerade in dieser Oper nicht gering zu schätzendes Gegengewicht: die von Marco Medved präzise einstudierte Chorakademie. Überzeugend: Die vierzig „Edlen von Brabant“, durch Lenka Radeckys Kostüme vom Erscheinungsbild her in zwei Gruppen geistlicher und weltlicher Würdenträger geteilt.
Der Text zu „Lohengrin“, übrigens jene Oper, die Wagner gleichsam von hinten her aufzäumte, indem er den 3. Akt zuerst komponierte und das Vorspiel zuletzt - wurde schon zuvor von Zeitgenossen gelobt. Ferdinand Hiller etwa kommentiert, es sei schade, dass Wagner die Absicht habe, selbst zu komponieren; seine musikalischen Talente seien dem nicht gleichwertig …
Wortverständlichkeit wäre also angesagt gewesen, allerdings schon in der zwölften Reihe leider nicht immer vernehmlich gegeben. In der Reihenfolge des Auftretens artikulierte zunächst Heerrufer Michael Kupfer, der einst bei Wilma Lipp am Mozarteum studierte, geradezu vorbildlich und klangschön. Mit Andrea Silvestrelli indes war eher zu rechten. Von Statur her zwar jeder Zoll durchaus ein König Heinrich, auch was sein Bassfundament betraf, doch mitunter etwas hohl verhalten tönend. Gerade im unmittelbaren Vergleich mit Kammersänger Oskar Hillebrandt als großartig intriganter und sich bemitleidender Friedrich von Telramund.
Susanne Geb wurde für ihr Rollendebüt als Elsa zunächst ein Nachthemd verordnet: als keusche Unschuldige verströmte sie lyrisch ihren Sopran. Doch vielleicht eine Spur zu introvertiert, um auch gestisch die Verliebtheit in ihren Schwanenritter und die Verzweiflung über ihre Naivität glaubhaft zu machen.
Gustav Kuhn ist ein Verfechter schlanker Stimmen. Von daher war Aleš Briscein, der schon sieben andere Rollen in Erl verkörperte, auch als Lohengrin seine Wahl. Zumal es ja auch Wagner vornehmlich Tenöre des italienischen Fachs zur Verfügung standen. Das Timbre des gebürtigen Tschechen Briscein gemahnte vorerst auch spontan an Tenöre in Werken von Donizetti, Mozart oder Smetana – in Salzburg war er im Vorjahr als Janek in Janá?eks „Die Sache Makropulos“ zu erleben. In Erl wusste Briscein genau zu dosieren, zumal auf ihn ja gerade zuletzt die Höhepunkte warten. Gralserzählung oder Abschied begann er jeweils verhalten erzählend und steigerte sich in strahlenden Schmelz.
Absolut grandios dazu Mona Somms Debüt als Ortrud! Männer können einander gegenüber nie so bösartig sein wie Frauen! Beleg dafür: diese Partie. Schwarz gewandet bei jedem Erscheinen die Szene dominierend, alle Facetten zwischen Hass und liebedienerischem Einschmeicheln setzte Somm ihren Mezzo perfekt ein.