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Schwarzweiß, aber nicht ganz furchtbar

REST DER WELT / GRAZ / BOAT PEOPLE

24/05/11 Der Papst wäre auch eingeladen, aber der kommt nicht einfach so. Bei Theaterleuten ist es viel unkomplizierter, die sind beweglicher. Und so machten sich vor zwei Wochen ein Grüppchen Grazer Schauspieler und die österreichische Regisseurin Christine Eder für drei Tage auf nach Lampedusa.

Von Reinhard Kriechbaum

Dorthin fahren sonst eher Mitarbeiter humanitärer Organisationen und, wenn's gut geht, sogar Politiker, auf dass sie sich vor Ort jene Bilder zu machen, die möglichst gut ins je eigene Weltbild passen. Nach der Recherche-Fahrt ist nun in kürzester Zeit auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses eine Aufführung entstanden. Eine Aufführung, kein Stück wohlgemerkt. Der hochtrabende Untertitel: "Antike Flüchtlingsdramen im Mittelmeer". Da denkt man gleich an Ilias, Odyssee und noch ein paar Storys aus der griechischen Sagenwelt. Skylla und Charybdis und die heutigen Schwarzen in ihren untergangsgefährdeten Booten, als Spielbälle der Politik: Das wäre ja was. Wird es aber nicht. "Antik" teilt sich nur im Sinn von "unerbittlich" mit - und das war's auch schon.

Über die Spielfläche, voll mit schwarzen Leichensäcken, staksen wir zu den Sitzplätzen. Die vier Schauspieler - Marion Reiser, Bernhard Dechant, Franz Solar, Jan Thürmer - hocken schon da. Zu Beginn stimmen sie ein pseudo-afrikanisches Lied an, aus dem sich die Buchstaben "EU" herauskristallisieren. Vorfreude, die sogleich gedämpft wird: Da legt man ein Brett auf einen wabernden Gummireifen, und schon haben wir das Boot, wo man nach Wasser lechzt und kleine Negerpüppchen geboren werden. Ein Marine-Mensch mit Megaphon und einem Zettel "EU" am Revers steht für die Härte des bevorstehenden Lebens.

Szene um Szene geht es dahin: In einer Millionenshow-Parodie wird jemand aus dem Publikum über sein Wissen zum Thema EU-Immigranten befragt (den verdienten Hunderter-Schein bekommt dann jemand anderer im Publikum, mit der schnippischen Bemerkung "Umverteilung"). Der Preis von Orangen ist Thema einer  Szene. "Max Mustermann", ausländischer Facharbeiter hierzulande, erliegt dem Konsumrausch und sollte doch lieber für humanitäre Zwecke in seiner afrikanischen Heimat spenden. Ein Fischer fuchtelt mit einem Armstumpf herum ("Nicht mal die Fische wollen es fressen").

Nach der "Ode an die Freude" geht's an eine Lesung. Das ist der besinnliche zweite Teil des Abends, mit Statements und Impressionen, die man in Lampedusa gesammelt hat. Man war ja fleißig dort, hat genau geschaut, ja: beobachtet und sogar mit Leuten geredet. Zuletzt wird ein Video gezeigt von der Ankunft eines Flüchtlingsschiffs, wir sehen Schlaflager und Szenen aus der (gut organisierten) Versorgung der Flüchtlinge. Und wir freuen uns zuletzt darüber, wie italienische Kinder mit kleinen Schwarzen spielen. Merke, es ist immer alles schwarzweiß, aber nicht immer ganz furchtbar. Man hat ja eine differenzierte Sicht entwickelt in den drei Tagen.

Das ist mehr als peinlich, nicht nur wegen des bescheidenen politischen Horizonts: All das könnte man aus Presseberichten genau so gut zusammenschnipseln. Im Zweifelsfall recherchieren Journalisten ja doch besser als Schauspieler. Was die theatrale Umsetzung betrifft, ist der Abend schlicht ärgerlich. Als Oberstufen-Schultheater ginge er durch.

"Boat People" ist Teil eines auch mit EU-Geld finanzierten Projekts "Emergency Entrance", in Zusammenarbeit mit der Union des Théatres de l'Europe (UTE). Auch das Griechische Nationaltheater Athen, das Teatro Garibaldi (Palermo), das Israelische Nationaltheater Habima (Tel Aviv), das Nationaltheater Prag und das Ungarische Theater im rumänischen Cluj bereiten Stücke zum Thema vor. Über das Projekt informiert eine derzeit freilich noch sehr jungfräulich wirkende Website. In Graz kommt man von 26. bis 29. Jänner zusammen. Dann wird man ja sehen, ob den anderen Theatern Dinge mit mehr Perspektive, mit mehr Tiefgang glücken.

Aufführungen bis 16. Juni. - Theatertreffen "Emergency Entrance" von 26. bis 29. Jänner im Grazer Schauspielhaus. - www.theater-graz.com/schauspielhaus, www.emergency-entrance.com
Bilder: Schauspielhaus Graz / Peter Manninger

 

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