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Die losen Bretter, die die Seele bedeuten

WIEN / STAATSOPER / COSI FAN TUTTE

17/06/24 Beim Wort „amore“ müssen Fiordiligi und Dorabella, die in Mozarts Cosi fan tutte auf die Liebesprobe gestellt werden, erst mal schallend auflachen. Das Lachen wird ihnen vergehen, je tiefer sie eindringen in ihre Rollen. Barrie Kosky hat Mozarts dritte DaPonte-Oper in der Wiener Staatsoper als eine offene Theaterprobe inszeniert.

Von Reinhard Kriechbaum

Links das Beleuchter-, rechts das Regiepult, dazwischen eine bescheidene Bühne mit eher schäbigem Bühnenbild. Der Regisseur der hier offenbar dräuenden Theaterschmiere ist Don Alfonso, ein Theatermann heutigen Zuschnitts. Einer, der seine Akteurinnen und Akteure erst mal tun lässt. Sie dürfen sich herantasten an ihre Rollen und damit hineinwachsen in die Figuren. Die Frauen wissen von der ersten Szene an, was gespielt wird. Ihre vermeintlich notorische Untreue steht in Cosi fan tutte ja auf dem Prüfstand. Dass die Akteure auch privat verbandelt sind, macht ihre Beschäftigung mit dem Stoff nicht leichter. Auf der Bühne sollte letztlich das Leben spielen, und das tut es wohl auch...

Barrie Kosky schickt die beiden Paare also auf Schauspieler-Selbsterfahrungstrip, Regie-Altmeister Don Alfonso gibt die Richtung vor. Despina – Inspizientin, Requisiteurin, Beleuchterin und Kaffee-Serviererin des Regisseurs – gefällt sich bald als ehrgeizige Dramaturgin.

Man erspart sich viel Deutungsarbeit, wenn man die beiden Frauen als Wissende ins Rennen schickt. In jenen Passagen, in denen Fiordiligi und Dorabella allzu blauäugig aufs Liebeswerben der Undercover-Partner reagieren, sei's ablehnend oder diesem erliegend, greifen die Frauen einfach zum Textbuch, geben sich also vermeintlich dem Rollenstudium und Interpretationsfragen hin. Am Ende, an dem Lorenzo da Ponte und Mozart ein „lieto fine“ geschrieben haben, die Sache zumindest dem äußeren Schein nach gut ausgeht, werden sie dem Regisseur ihre Textbücher auf den Tisch knallen und frustriert heim gehen. „Sani e salvi“, geheilt und gerettet? Theater ist und bleibt halt doch nur Theater.

Das ist in der Wiener Staatsoper durchaus gedanken-scharf gezeichnet, wenn auch immer wieder an der Grenze dessen, was beim erstmaligen Sehen gerade noch zu durchschauen ist. Das Publikum muss viel Beobachtungs-Energie und Wohlmeinen aufbringen. Doch eine Ablenkung von der Musik war gerade am Premierenabend ohnedies so schlecht nicht. Waltete da doch Philippe Jordan am Pult, der die Tempi sehr aktiv eingebremst, aber das Staatsopernorchester deshalb nicht unbedingt zu mehr Beschäftigung mit dem musikalischen Filigran animiert hat. Das hatte – im Orchestergraben – eher die Anmutung einer Repertoireaufführung im Laissez-faire-Stil. Schlecht machen's die Wiener Philharmoniker im Einzelnen eh nicht, aber Klasse ginge ganz anders.

Größtes Pech am Premierenabend: Filipe Manu (Ferrando) war indisponiert, sang nur die Rezitative. Die Arien und in den meisten Ensembles sang Bogdan Volkov aus dem Orchestergraben. Das ist logischerweise ein arger Hemmschuh, ist doch Cosi Mozarts Ensembleoper schlechthin. Wie das wohl wirkt, wenn alle gesund und alles so recht eingespielt ist? Die Aufführung kann nur gewinnen.

Gecastet und designed sind die jungen Leute total heutig: T-Shirts tragen sie, Tattoos auf den Oberarmen, Despina trennt sich vom Kaugummi ebenso wenig wie von den Earphones. Sie alle würden auf der Straße nicht auffallen. In der „Kostümprobe“ (zweiter Akt) wirken sie so recht verkleidet, und das ist eine hinterlistige Regie-Finte, weil da ja die echten Gefühle aufbrodeln.

Christopher Maltman (Don Alfonso) ist als Sänger selbstbewusst genug, um sich von der über-psychologisierten Rolle einer Regisseurs-Frustwuchtel mit gespieltem Ego-Drang, die ihm die Regie zugedacht hat, abzugrenzen. Charme ist nicht die Stärke dieses Don Alfonso, aber das ist eben auch der Regie geschuldet. Kaste Lindsay darf als Despina die Strippen delikater ziehen, sie ist die einzige, die von den gebremsten Arien-Tempi gestalterischen Profit zu ziehen weiß.

Das Musikalische als Ganzes ist nach dem Premierenabend nur mit Vorbehalt zu beurteilen. Federica Lombardi (Fiordiligi) hat ihre Meriten im Lyrischen, für ihre Arie Come scoglio, die Kraft und Entschiedenheit verlangt, gab's nicht ganz unverdiente Buhrufe. Im zweiten Akt hat sie viel wieder gut gemacht. Emily d'Angelo als Dorabella, burschikos im Auftreten und mit metallener Attacke in der Stimme, gibt eine Figur mit Eigenart, plausibel in sich – aber so gar nicht in Schmelzklang mit der Sopran-Partnerin. Guglielmo (Peter Kellner) und Ferrando (Filipe Manu) müssen viel Artistik und Slapstick produzieren. Radschlagen kann man glücklicherweise auch mit Luftröhrenentzündung.

Nächste Aufführungen am 19., 22., 24., 26. und 28. Juni – www.wiener-staatsoper.at
Bilder. Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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