Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan
GREIN / STRADELLA / MORO PER AMORE
09/08/22 ... und das schwarze Gesicht war nicht echt. Die Donaufestwochen im Strudengau machen die zweijährige Spielpause derzeit durch ein besonderes Schmankerl für Freunde barocker Oper mehr als wett, mit Alessandro Stradellas Moro per Amore. Das reizvolle Stück wird wohl das erste Mal in Österreich gegeben.
Von Horst Reischenböck
Der Komponist Alessandro Stradella (1643-1682) wurde im 19. Jahrhundert selbst zur Opernfigur. Seinen Namen trägt eine heute völlig vergessene Oper von Friedrich von Flotow, der das skandalumwitterte Leben des wohl einer Liebschaft wegen mit 43 Jahren ermordeten Italieners auf die Bühne stellte. Auch vier Kollegen Flotows bis hin zu Giacinto Scelsi hat diese Story angesprochen. Ansonsten ist Alessandro Stradella vor allem durch sein Oratorium San Giovanni Battista bekannt geblieben. Ein Jahr vor seinem Tod schuf er die Oper Moro per Amore, die angeblich in Rom uraufgeführt wurde. Der Textdichter und Auftraggeber war Herzog Flavio Orsini, der sich beim Druck des Librettos 1696 übrigens hinter dem Pseudonym Filosinavoro verbarg.
Der Titel Moro per Amore ist ein nicht zu übersetzendes Wortspiel.
Es herrscht Krieg zwischen Zypern und Sizilien, dessen jugendlich beschwingte Königin Eurinda nicht ans Heiraten denkt. Es geht also um zwischenmenschliche Emotionen, Eurindas Amme Lindora schürt die Liebeskomplikationen. Der zypriotische Königssohn Floridoro will sich ein Bild vom Liebreiz der Königin machen, und verkleidet sich als dunkelhäutiger Sklave, um ihr als Diener nahe zu sein.
Ein Pech nur, dass sich in ihn nicht nur Eurinda, sondern auch Prinzessin Lucinda verliebt. Und dann gibt’s noch einen Gesandten des Königs von Neapel, Filandro, der auch dessen Heiratsabsichten Eurinda gegenüber propagiert. Da ein heiteres, friedvolles Finale angepeilt wird, geht trotz der Verwicklungen alles gut aus. Und Frieden gibt’s logischerweise auch.
Der Mohr ist also nicht echt und deshalb braucht man sich über Political correctness nicht ernsthaft Sorgen zu machen. Sicherheitshalber gibt’s nach den drei amüsanten Opernstunden zum Schluss auch groß zu lesen, dass man gegen Rassismus sei.
Regisseurin Manuela Kloibmüller hat die Handlung auf einem von Isabella Reder gestaltet stilisierten Schiffsrumpf angesiedelt, dessen drei Ebenen ideal die raschen und abwechslungsreichen Auftritte ermöglichen.
Der Plot inspirierte Stradella zu einer wirksam am Wort entlang komponierten Musik ohne lähmende Da-capo-Arien. Besonders Eurindas und Lucindas schmerz-empfundene Arien beeindrucken. Ihren Rollen entsprechend so unterschiedlich geprägt die Soprane von Eurinda Maria Ladurner und Marelize Gerber, die kurzfristig für Anna Magdalena Auzinger als Lucinda eingesprungen ist, sowie Johanna Rosa Falkingers jugendlich burschikoser Page Fiorino. Dazu Altistin Cornelia Traxlers ebenso komödiantisch ausgespielte Lindora, die Tenöre von Titelheld Jakob Maximilian Gerbeth und Markus Miesenberger, und Markus Volperts profunder Bass als royale Gesandte bzw. Berater. Letzteren verpasste Isabella Reder sonnenbebrillte, leicht mafiös anmutende Outfits, passend zum unteren Ende von Italiens Stiefel.
Die Noten waren bei dem von Intendantin Michi Gaigg vor zehn Jahren gegründeten Euridice Barockorchester der Anton Bruckner Privatuniversität bestens aufgehoben. Es dünkte erst in der Streicherbetzung vielleicht etwas mager, gewann aber dank zweier Blockflöten und dem mit Viola da Gamba, unterschiedlichen Violone, Theorbe, Erz- und französischer Laute differenziert bestücktem Continuo an Reiz. Temperamentvoll durch Erich Traxler als Leiter vom Cembalo aus beflügelt, bei dem sich auch die Ausführenden der Vokalpartien wohl und sicher gebettet fühlten.
Die Premiere fand witterungsbedingt im Rittersaal auf der Greinburg statt und wurde begeistert aufgenommen. Für nächstes Jahr hat man bei den Donaufestwochen im Strudengau Mozarts Zaide-Fragment vor.