Rossini ist ziemlich nahe
INNSBRUCK / FESTWOCHEN ALTER MUSIK / DIDONE
12/08/18 Mit der Wahl der Opera seria „Didone abbandonata“ von Saverio Mercadante zur Eröffnung der 42. Festwochen für Alte Musik gelangte man ans Ende einer Reise durch zweihundert Jahre Belcanto in der Geschichte der Festwochen. Jürgen Flimm inszenierte das 1843 uraufgeführte Stück nun in Innsbruck.
Von Oliver Schneider
Fast siebzig Mal wurde das Opernlibretto „Didone abbandonata“ von Pietro Metastasio nach Episoden aus Vergils Aeneis und den Fasti von Ovid vertont. Der 1795 geborene Giuseppe Saverio Mercadante war einer der letzten in dieser Reihe.
Andrea Leone Tottola aktualisierte das Libretto für Mercadantes frühromantische Vertonung, indem er die starre Struktur aus Rezitativen und Arien durch Chöre, Duette und Ensembles aufbrach. Aus drei wurden zwei Akte. An der Handlung hat sich nichts geändert: Die Karthager-Königin Dido liebt den aus Troja geflüchteten Aeneas. Für ihn ist Karthago aber nur eine Zwischenstation, denn er hat den göttlichen Auftrag, in Italien ein neues Troja zu gründen. Der Probleme nicht genug, kommt auch noch der Maurenfürst Jarbas ins Spiel, der Dido ebenfalls liebt.
In Jürgen Flimms am Ende mit Bravos und Buhrufen aufgenommener Inszenierung spielt die Handlung zur Zeit, als die Gegend um das antike Karthago – bei Tunis – französisches Protektorat war. Die Soldaten Didones sind Fremdenlegionäre (Kostüme: Kristina Bell). Gespielt wird auf einer sich fast permanent drehenden quadratischen erhöhten Spielfläche. Zusätzlich wird der Zuschauerraum für Auf- und Abmärsche der Soldaten genutzt (Bühne: Magdalena Gut). Dem erfahrenen Flimm und den Protagonisten gelingt es, den zwischen seiner Liebe und seinem Auftrag hin- und hergerissenen Aeneas, die zwischen Liebe und Hass schwankende Dido und den ebenso liebenden und rachsüchtigen Jarbas in allen Facetten zu zeigen. Und das, während sie und drei Comprimarii von Koloraturen und Verzierungen nur so gespickte Arien und Ensembles bewältigen müssen.
Drumherum gibt es einiges an unnötigem Beiwerk. Wozu braucht es auf der Bühne einen Betonmischer und immer wieder ablenkende Hintergrundhandlungen in den Arien? Vor allem: Warum muss sich Jarbas wie ein Narr im rheinischen Karneval aufführen, nachdem er Karthago mit einem Feuerzeug in Flammen gesetzt hat und Dido den Tod in den Flammen sucht? Gut hingegen ist die Arbeit mit Farben: Wenn die Bühne zunächst mit roten Segeln überspannt und in helles Licht getaucht ist (Lichtdesign: Irene Selka), während Karthagos Ende im Schwarzen erfolgt.
Musikalisch hat sich Alessandro De Marchi für die Turiner Urfassung entschieden und lediglich das Finale der Sinfonia einer späteren Fassung für Neapel entnommen. Die Nähe zu Rossini lässt sich schon in der Ouvertüre nicht überhören, auch wenn es bei ihm im Orchester sehr viel elektrisierender zugeht. Leider hatte der Solohornist des Innsbrucker Haus-Festspielorchesters Academia Montis Regalis am Premierenabend einige Mühen mit der Tonproduktion. Sehr erfreulich ist, dass De Marchi und die Musiker Mercadantes Oper aus einem Guss servieren. Dem Premierenfieber mag geschuldet sein, dass es am Freitag (10.8.) ab und zu in der Koordination zwischen Bühne und Graben holperte.
Aus dem Solistenensemble ragt Katrin Wundsam als Aeneas heraus, die auf Koloratur und Linie mit emotionalem Belcanto glänzt. Für die Dido bringt die aus Litauen stammende Viktorija Miškūnaité zwar die nötige Dramatik mit, müht sich im Gegenzug aber mit Fiorituren und Koloraturen ab. Carlo Vincenzo Allemano als Jarbas klang zunächst belegt, sang sich aber im Laufe des Abends freier. Unter den drei Comprimarii ragt Emilie Renard als Didos Schwester Selene stilsicher hervor. Pietro Di Bianco als Osmida, verräterischer Vertrauter Didones, und Diego Godoy als Araspe, Vertrauter Jarbas und Selene Liebender, werden den hohen Ansprüchen Mercadantes noch nicht gerecht. Claudio Chiavazza hat schliesslich den italienischen Coro Maghini ordentlich vorbereitet.