Aus der Schwüle um Liszt
RAIDING/LISZTFESTIVAL
13/06/18 Auf sechs Wochenenden – je zwei im März, im Juni und im Oktober – verteilt sich das Liszt Festival Raiding. Soeben wurde der Vertrag mit den seit zehn Jahren dort gemeinsam als Intendanten wirkenden Pianisten-Brüder Johannes und Eduard Kutrowatz bis 2024 verlängert. Übrigens von Hans Peter Doskozil, der vom Vertreidigungsminister zum burgenländischen Kultur- und Finanzlandesrat mutiert ist.
Von Wolfgang Stern
Man ist im 13. Jahr, die Qualität und so mancher prominente Name zieht Publikum aus nah und fern an, auch während einer Hitzewelle, die das vergangene Wochenende im Mittelburgenland bestimmte. Andrea Eckert in Terrence McNallys „Meisterklasse“ war natürlich ein Magnet, zumal sie die Rolle der exaltierten Maria Callas, die mit ihren Studenten nicht gerade zimperlich umgeht, im Volkstheater Wien schon mehr als 170 mal verkörperte. Die Rolle habe ihr Leben verändert, sagt die Schauspielerin.
Die Mezzosopranistin Elisabeth Kulman genießt, da gebürtige Oberpullendorferin, in Raiding Heimvorteil. Mit ihrem Klavierpartner Eduard Kutrowatz tourt sie, die dem herrschenden Sänger-Verschleißbetrieb schon vor geraumer Zeit Adieu gesagt hat, immer wieder durch die Lande. Ihr Mezzo wirkt befreit von allem Zwang, ihr Timbre in der unteren Lage ist überwältigend, Schubert – im ersten Teil des Abends gab es ausgewählte Lieder zum Themas Liebe und Todessehnsucht – kommt beim Publikum an. Was war das etwa für eine phantastische Blumenballade „Viola“! Originell die Programmfolge nach der Pause, eine farbige Lied-Palette von Franz Liszt über Eduard Kutrowatz, Georg Breinschmid, Hugo Wolf, Gustav Mahler, Rezsö Seress und Cole Porter. Schubert-Träumer erwachen. Elisabeth Kulman ist in ihrem Element und wird zur musikalischen Unterhalterin auf höchstem Level.
Die jungen Herren von Phil Blech aus Wien – sie kommen aus verschiedenen Orchestern – wissen können sich glücklich fühlen, auch in ihren Reihen einen ausgezeichneten Arrangeur (Mark Gaal) zu haben. Eduard Kutrowatz konnte sich in einer hitzigen Matinee seine eigene Festfanfare aus dem Jahr 1992 anhören, ehe Friedrich Guldas Konzert für Violoncello und Blasorchester (Arrangement Daniel Muck – erweitert um Schlagwerk, Gitarre und Kontrabass) in romantisch-klassische, jazzige und volkstümliche gefilde führte. Alles scheint so einfach, ist es aber nicht. Matthias Bartolomey beweist Klasse, meistert mit Bravour seinen höchst anspruchsvollen Solopart und setzt sich wie nebenbei souverän gegen seine blechigen Begleiter durch. Anton Mittermayr, selbst Philharmoniker, hat wenig Mühe, die sympathischen Blechbläser vom Pult aus zusammenzuhalten. Bunt wird der zweite Teil, in dem weiter Blech vom Feinsten zu hören ist. Kürzere Stücke von Johann Strauß, Rossini, Bizet, Kreisler uund anderen sind so gut aufbereitet, dass man die Hitze der Tage vergisst.
Zum Zehn-Jahre-Jubiläum der Doppelintendanz Kutrowatz wurde ein „Liszt Festival Orchester“ zusammen gestellt, das am kommenden, vierten Festival-Wochenende (15. bis 17. Juni) Carl Orffs „Carmina burana“ hören lässt. Ständige Gäste in Raiding sind die „Wiener Akademie“ unter Martin Haselböck, die nächstens Liszt und Beethoven gegenüberstellen – und einmal sogra verschränken: Liszt hat ein orchesterfassung des Andante cantabile aus Beethovens „Erzherzog“-Klaviertrio op. 97 erstellt. Auf dem Erard Flügel aus dem Jahr 1862, den Boris Bloch in einem Konzert im März spielte, hat Liszt übrigens selbst gespielt.